■ Mit Nachhaltigkeit auf du und du
: Vertrauen und Kontrolle

Brüssel (taz) – Theo Waigel glaubt den Finanzministern nichts, nicht einmal sich selbst. „Wir haben in der EU eine neue Stabilitätskultur“, versichert er immer. Aber er traut ihr nicht. Vielmehr verdächtigt er einige Regierungen, daß sie sofort wieder mehr Schulden machen, wenn er nicht hinschaut. In der Tat bedeutet das Erreichen der Maastricht-Kriterien nur, daß elf Länder bis 1997 so gespart haben, daß sie an der Währungsunion teilnehmen können. Theoretisch könnten sie 1998 all die Ausgaben nachholen, die sie sich 1997 verkniffen haben. Denn der Stabilitätspakt, der die Nachhaltigkeit der Haushaltssanierung für die gesamte Zeit der Währungsunion unter Strafe vorschreibt, greift erst 1999. Und selbst dann ist nicht sicher, ob er funktioniert. Denn die Milliardenstrafen für das Überschreiten der Drei-Prozent-Grenze bei der Neuverschuldung müssen von der Mehrheit der elf Euro-Finanzminister bestätigt werden. Wenn sechs Länder mehr Schulden machen wollen, greift der Stabilitätspakt ins Leere.

Doch dabei wird immer unterstellt, daß vor allem die südlichen Länder und Belgien ganz wild darauf sind, sich in neue Schulden zu stürzen. In Wirklichkeit zeigen die Sparanstrengungen der letzten Jahre ziemlich deutlich, daß alle Regierungen froh um den Druck durch die Maastricht-Kriterien waren. Die Zinsen für die Altschulden haben den Handlungsspielraum der Regierungen längst empfindlich eingeschränkt. Doch ohne äußeren Zwang hätten sie es kaum geschafft, die Ausgabenkürzungen gegenüber Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften durchzusetzen. Allein für die Stabilität der künftigen Währung hätten sie das kaum gemacht: Kein vernünftiger Ökonom würde annehmen, daß die Geldwertstabilität davon abhängt, ob das Haushaltsdefizit drei oder vier Prozent beträgt. Nur in Deutschland hält sich dieser Glaube hartnäckig. Den anderen Regierungen war der deutsche Druck nicht unangenehm, um ihre Parlamente zu disziplinieren.

Ein bißchen geschwindelt aber haben sie alle. Ein Teil der Einsparungen 1997 geht auf einmalige Einnahmen zurück, die sich nicht wiederholen lassen: Privatisierungserlöse in Deutschland zum Beispiel oder die einmalige Sonder-Euro- Steuer in Italien. Die EU-Kommission betont deshalb in ihrem Konvergenzbericht, daß sie die 98er Haushalte darauf untersucht hat, daß es diesmal um wirkliche strukturelle Einsparungen geht. Das Ergebnis sei zufriedenstellend. Zweifel sind erlaubt. Aber der Spielraum für Tricks ist eng geworden. Die EU-Finanzminister schauen sich so intensiv in die nationalen Haushaltspläne, wie sich das die deutschen Bundesländer verbieten würden. Die Kontrolle funktioniert so gut, daß Regierungen auf Wirtschaftseinbrüche möglicherweise nicht mehr vernünftig reagieren können. Alois Berger