Aufruhr am Engelbecken

■ Orte der Revolution (Folge 18): 1848 entstand der Luisenstädtische Kanal als Mittel zur Arbeitsbeschaffung. Dampfmaschine führte zum Kampf zwischen Arbeitern und Bürgerwehr

Im heutigen Stadtbild ist der Luisenstädtische Kanal noch erkennbar – als Grünzone, die sich vom ehemaligen Urbanhafen am Landwehrkanal nördlich bis zum ehemaligen Engelbecken vor der Michaelkirche in Berlin-Mitte erstreckt. Von dort knickte der Kanal in Richtung Osten ab. Der inzwischen zugeschüttete Kanal, der ab 1961 Mauergrenzstreifen zwischen Kreuzberg und Mitte war, ist bisher nur zum Teil als Park neu hergerichtet.

1848 schaufelten hier als „Notstandsmaßnahme“ etwa 5.000 Arbeiter in dem damaligen Arbeitsbeschaffungsprogramm den Wasserweg. Mitte Oktober kam es zu Unruhen. Am 13. Oktober hatten Arbeiter eine Dampfmaschine zerstört, die das Grundwasser im zukünftigen Kanalbett absaugen sollte. Sie glaubten, mit dem Einsatz der Dampfmaschine ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

Daraufhin kam es zu Arbeitseinschränkungen und Entlassungen. Die Arbeiter antworteten mit Protestversammlungen. Am 16. Oktober kam es am Engelbecken zu blutigen Zusammenstößen zwischen den Arbeitern und der Bürgerwehr. Drei Arbeiter wurden erschossen. Die Folge waren Barrikadenkämpfe im ganzen Cöpenicker Viertel, wie der Stadtteil damals noch hieß, bei denen weitere acht Arbeiter und ein Bürgergardist ihr Leben verloren. Die von den Arbeitern aufgestellten Forderungen nach feierlicher Bestattung der Opfer, Versorgung der Hinterbliebenen, Freilassung der Verhafteten wurden nicht erfüllt. Am 21. Oktober gab die Bauverwaltung bekannt, daß alle Kanalarbeiter, die sich an der Zerstörung der Dampfmaschine beteiligt hätten, entlassen würden. Eine Lohnzahlung für den 16. und 17. Oktober fände nicht statt. Die Beschwerden der Arbeiter über diese Maßnahmen bei der preußischen Nationalversammlung und den Ministern wurden zurückgewiesen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatten sich die beiden Gruppen, die die März-Revolution getragen hatten, endgültig auseinanderdividiert. Die reaktionären Kräfte wurden immer stärker.

Das Schicksal des Kanals hat auch eine ironische Seite. Als Beschäftigungsmaßnahme war er gebaut worden. 78 Jahre später, im Jahre 1926, ist er aus demselben Grund wieder zugeschüttet worden, als eine U-Bahn-Linie gebaut wurde. Der „Wassertorplatz“, „Engeldamm“ und „Bethaniendamm“ erinnern heute noch an den Verlauf des zugeschütteten Luisenstädtischen Kanals. Jürgen Karwelat