Mehr Picassos für die Ölbarone

■ Meisterwerke adieu? Als Reaktion auf die Unidroit-Konvention der UNO droht der Schweiz ein herber Verlust von privaten Kunstschätzen

Besser hätte die PR kaum laufen können: Noch vor zwei Jahren wurden die mehr als achtzig Gemälde als „Bilder aus einer Schweizer Privatsammlung“ auf Europatournee geschickt. Die Ölbilder, samt und sonders Meisterwerke der klassischen Moderne, gastierten im Kunsthaus Aarau, im Von der Heydt-Museum in Wuppertal, in der altehrwürdigen Dresdner Gemäldegalerie und im Kunstforum der Bank Austria in Wien. Als seltene Gelegenheit, eine der wichtigsten privaten Kunstsammlungen der Schweiz erstmals öffentlich zu sehen, wurde das Ausstellungsereignis damals angekündigt – und niemand ahnte, daß man diese Werke schon bald in anderem Zusammenhang wiedersehen würde.

In dieser Woche nämlich hat das Londoner Auktionshaus Sotheby's den teilweisen Ausverkauf der Sammlung Weinberg angekündigt. Der Modeunternehmer Rolf Weinberg und seine Frau Margit Weinberg-Staber, als Kunsthistorikerin Spezialistin für konstruktivistische Kunst, haben zehn ihrer Gemälde eingeliefert, für deren Verkauf Sotheby's einen Erlös von rund zehn Millionen Dollar erwartet. Höhepunkt der Auktion am 13. Mai in New York wird ein kleinformatiges Porträt sein, das Pablo Picasso 1901 von seinem malenden Dichterfreund Carles Casagemas auf dem Totenbett malte. Das Hauptwerk aus der blauen Periode des Malers soll allein drei bis fünf Millionen Dollar einspielen. Unter den restlichen neun angebotenen Gemälden ist, neben Bildern von Fernand Léger, Alexej von Jawlensky, Oskar Schlemmer und Theo van Doesburg, auch Gustave Courbets außergewöhnliches Frauenporträt „Jo, die schöne Irin“ von 1865.

Ihre berühmten Werke von Edgar Degas („Rotes Interieur“, 1880–1990), von Paul Cézanne („Paul Alexis und Emile Zola“, 1869/70) und Piet Mondrian („Komposition“, 1917) behält das Sammlerehepaar zunächst. Trotzdem setzt der Verkauf eines wesentlichen Teils der Sammlung Weinberg ein deutliches Zeichen in Sachen Kunsthandel – und nicht das erste. Rolf Weinberg hatte als Präsident der Sammlungskommission des Zürcher Kunsthauses schon früh auf die Einschränkungen hingewiesen, die den zwanzig bis dreißig in dieser Gesellschaft zusammengeschlossenen Privatsammlern durch die sogenannte Unidroit-Konvention drohen.

Bereits im Juni 1996 hatte der Schweizer Bundesrat mit knapper Mehrheit dem Papier zugestimmt, mit dem die UNO den illegalen Handel mit gestohlener Kunst eindämmen will. Die Konvention kehrt vor allem die Beweislast beim Kunstkauf um: Träte sie in Kraft, müßten Sammler oder ihre Erben bis siebzig Jahre nach dem Erwerb den lückenlosen Nachweis erbringen können, daß der Ankauf eines Kunstwerks seinerzeit gutgläubig erfolgte. Selbst dann könnte er, falls andere ihre Ansprüche belegen können, aber eine Beschlagnahme nicht verhindern – immerhin bei Anspruch auf eine „angemessene Entschädigung“.

Ein noch zu formulierender „Kulturgüterschutz-Artikel“ soll zudem den Verkauf solcher Werke ins Ausland verhindern, die Staatsbeamte zu nationalem Kulturgut erklären. Bislang wurde die Konvention nur von China, Litauen und Paraguay ratifiziert. Aus dem Schweizerischen Parlament kommen allerdings Signale, daß man auch dort das Papier beschließen will – um auf diese Weise die Schweiz in der Raubgold-Debatte politisch aus der Schußlinie zu manövrieren.

Weinbergs Verkäufe sind nicht die erste Reaktion auf diese Signale. Im vergangenen Sommer verlagerte Rudolf Staechelin die Kunstsammlung seiner Familie, die bis dahin mit Werken von van Gogh, Cézanne, Gauguin, Manet, Matisse, Pissarro und Renoir in der Öffentlichen Kunstsammlung Basel gehangen hatte, ins Kimbell Art Museum im texanischen Fort Worth. Staechelin, Repräsentant von Sotheby's in Basel, begründete den spektakulären Schritt mit der drohenden Unidroit-Ratifizierung: „Ich bin bereit, einen Vertrag abzuschließen, der die Rückkehr der Sammlung in die Schweiz für den Fall garantiert, daß die Unidroit-Konvention nicht ratifiziert wird.“ Rudolf Weinberg kommentierte Staechelins Entscheidung damals in der Weltwoche mit den Worten: „All dies schafft ein Klima, in dem niemand mehr Lust, Freude und Passion hat, zielstrebig zu sammeln. Das bis heute so fruchtbare und kulturell segensreiche Sammlertum in der Schweiz könnte bald zur Bedeutungslosigkeit verkümmern. Dem Schritt von Rudolf Staechelin werden andere folgen.“ Stefan Koldehoff