■ Japan setzt mit Milliardensubventionen auf veraltete Industrien
: Abschied vom Neoliberalismus

Als Japan vor zwölf Jahren die staatliche Eisenbahn privatisierte, wurde der damalige Premier Nakasone als jüngster neoliberaler Verbündeter der Achse Washington–London gefeiert. Welch ein Irrtum. In der anglosächsischen Euphorie ging unter, daß der japanische Staat damals die Defizite der Staatsbahn – satte 200 Milliarden Mark – widerspruchslos übernahm. Fast ebensoviel Geld buttert Nippons Väterchen Staat nun wieder in die Wirtschaft, um das Inselreich und die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft vor einer gefährlichen Rezession zu bewahren. Das geschieht nicht zuletzt auf Druck von anglosächsischen Politikern.

Tony Blair und Bill Clinton beknieten Premier Hashimoto, endlich etwas gegen die schleppende Konjunkturentwicklung zu tun und vorübergehend die Sanierung des überschuldeten Staatshaushaltes auszusetzen. Wird da via Japan der Abschied vom neoliberalen Modell eingeläutet? Sollte das der Fall sein, ist das für kontinentaleuropäische Politiker, denen jede staatliche Sparübung für die Mitwirkung am Euro recht ist, ein Schock. Denn hierzulande verabschiedet sich der Staat zunehmend aus dem Wirtschaftsgeschehen und übergibt dem „Markt“ das Zepter. In Asiens wichtigster Wirtschaftsnation tritt er dafür um so stärker als rettender Anker auf.

Macht Japan wieder alles anders als die übrige Welt? Ja! Aber keineswegs zum Nutzen der eigenen Bevölkerung. Würden die 216 Milliarden Mark tatsächlich in zukunftsorientierte Branchen investiert, dann wäre Beifall angebracht. Doch leider sind in Japan mit den Liberaldemokraten Politiker an der Macht, die erst mal ihre eigene Klientel pflegen. Das ist die ländliche Wahlbevölkerung, und das ist die Baulobby, die mit 560.000 Firmen rund 10 Millionen Leute beschäftigt. Ein Komplex, der ähnlich korrupt ist und subventioniert wird wie der US-amerikanische militärisch-industrielle Komplex.

Beschäftigungswirksam ist das neue Konjunkturpaket sicher. Nur leider schützt es Arbeitsplätze, die auch in Japan nur noch mit Dauersubventionen gehalten werden können. Gleichzeitig fehlt Geld für die Förderung von zukunftsgerichteten Technologien im Umweltbereich, für eine bessere Alterspflege, und vor allem fehlt es an Visionen. Ein neues Japan im 21. Jahrhundert, das erneut zum Vorbild Asiens werden könnte, ist für lange Zeit begraben worden. André Kunz