: Rußland schließt die Uranlücke in Garching
■ US-Experten protestieren in Bonn gegen waffentaugliches Uran für Forschungsreaktor
Hochangereichertes Uran ist wieder zum heißen Thema zwischen den Regierungen in Bonn und Washington geworden. Der seit Anfang der neunziger Jahre schwelende Konflikt um den Einsatz von atomwaffentauglichem Uran im neuen Forschungsreaktor München II (FRM II) in Garching ist aufgeflammt, seit die russische Regierung kürzlich grünes Licht für die Lieferung von bis zu 1.200 Kilogramm des gefährlichen Materials an Deutschland gab.
Moskau besetzt mit dem nun unterzeichnungsreifen Rahmenabkommen die Uranlücke, die die USA hinterließen, als sie 1992 den Export des Bombenstoffs für zivile Forschungsreaktoren gesetzlich untersagten. Die ausgehandelte Brennstoffmenge würde ausreichen, die in Garching im Bau befindliche Neutronenquelle 30 Jahre lang zu betreiben.
Die Veröffentlichung bestätigt die Kritiker des Garchinger Reaktorkonzepts, die das Projekt der Technischen Uni München stets als „Türöffner“ für eine Renaissance des Handels mit waffenfähigem Uran geißelten. In einer Anfrage an die Bundesregierung will die bündnisgrüne Abgeordnete Simone Probst wissen, wie Bonn zu reagieren gedenke, „wenn Rußland gleichlautende Abkommen auch mit anderen Nicht-Kernwaffenstaaten (z. B. Iran, Pakistan) abschließen würde“.
Seit zwanzig Jahren ist es Ziel der US-amerikanischen Nuklearpolitik, den Stoff, aus dem die Hiroshima-Bombe war, aus zivilen Brennstoffkreisläufen zu verbannen. Parallel lancierte Washington schon 1978 ein Programm zur „Urananreicherungsreduzierung“ in Forschungsreaktoren. Mit neuartigen Kernbrennstoffen sollten für die Wissenschaftler vergleichbar hohe Neutronenflüsse ermöglicht werden wie zuvor, ohne auf waffentaugliches Uran zurückgreifen zu müssen.
Bonn zählte zunächst zu den engagiertesten Anhängern der US- Strategie und steuerte rund 40 Millionen Mark zur Erforschung der neuen Brennstoffe bei. Die Kehrtwende erfolgte, als die TU München Ende der achtziger Jahre mit dem FRM-II-Konzept vorstellig wurde, das weiter waffentaugliches Uran einsetzen will. Mit dem unverblümten Mißbrauch der internationalen Bemühungen verstößt die Bundesrepublik zwar nicht gegen den Buchstaben des Atomwaffensperrvertrags. Sie isoliert sich aber innerhalb der westlichen Staatengemeinschaft.
Nach einer aktuellen Aufstellung des Argonne National Laboratories (US-Staat Illinois) wurden seit 1978 fünfzehn größere Forschungsreaktoren gebaut oder geplant, die sämtlich mit nicht waffentauglichen Uranverbindungen betrieben werden. „Einzige Ausnahme unter westlichen Reaktoren ist der FRM II in Deutschland“, heißt es in dem Papier.
Paul Leventhal, der als Präsident des privaten Washingtoner Nuclear Control Institutes (NCI) seit Jahrzehnten gegen die Gefahren der Weiterverbreitung von Atomwaffen trommelt, forderte gestern in München Bayerns Umweltminister Thomas Goppel auf, die Baugenehmigung für den Reaktor zu überdenken. Leventhal wies dabei auf Berechnungen von US-Experten hin, wonach der in Garching angestrebte Neutronenfluß auch mit nicht waffenfähigem Brennstoff erzielt werden könnte.
Leventhal nannte es außerdem „höchst außergewöhnlich und vermutlich ohne Beispiel“, daß in Garching ein Kernbrennstoff zum Einsatz kommen solle, der niemals zuvor getestet worden sei. Die Münchner Reaktorplaner hatten im vergangenen Jahr auf einen wichtigen Teil der geplanten Bestrahlungsexperimente verzichtet, weil der vorgesehene französische Testreaktor für die Versuche nicht ausgelegt war. Die Experimente, die das für die Reaktorsicherheit entscheidende „Schwellverhalten“ klären sollten, wurden schließlich nur an einer der beiden im Reaktor zum Einsatz kommenden Brennstoff-Konfigurationen durchgeführt. Leventhal weist auf das Risiko eines Kernschmelzunfalls mit katastrophalen Folgen hin.
Heute wollen der NCI-Präsident und zwei seiner Kollegen ihre Bedenken auch in Bonn vortragen. Falls Goppel das FRM-II-Konzept nicht überdenke, müsse Bundesumweltministerin Angela Merkel Bayern entsprechend anweisen. Gerd Rosenkranz
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