Minimale Zeitverschiebung

Das Veloverbot in der U-Bahn ändert sich, wenn überhaupt, nur unmerklich: Zwischen 4 Uhr 30 und 6 Uhr werden Fahrräder vielleicht bald zugelassen  ■ Von Volker Wartmann

„Wir müssen draußen bleiben.“ Dieses Motto gilt weiterhin für Fahrradfahrer, die frühmorgens oder nachmittags ihr Fahrrad in der U-Bahn mitnehmen möchten. Von Montag bis Freitag dürfen in den Berliner U-Bahnen nur zwischen 9 Uhr und 14 Uhr sowie von 17 Uhr 30 Uhr bis Betriebsschluß Fahrräder mitgenommen werden. Nur am Wochenende können Fahrradfahrer ihre Drahtesel ganztägig in der U-Bahn mitnehmen. „Wir werden die Sperrzeiten für die Mitnahme von Fahrrädern auch in absehbarer Zukunft beibehalten“, sagt Carmen Kirstein, Pressesprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). „Viele unserer Kunden regen sich über die Fahrradfahrer auf.“ Nachgedacht werde bei der BVG zur Zeit nur über die Möglichkeit, die Mitnahme von Fahrrädern zwischen Betriebsbeginn, also etwa 4 Uhr 30, und 6 Uhr zu erlauben. Entgegen anderslautenden Gerüchten ist die Mitnahme von Fahrrädern in Bussen und Straßenbahnen prinzipiell untersagt. „Mit ihrer Preispolitik und ihrem schlechten Service hat die BVG in den letzten Jahren auch viele ihrer radfahrenden Kunden verloren“, sagt Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Warum man in der Straßenbahn und wenigstens in den geräumigen Gelenkbussen prinzipiell keine Fahrräder mitnehmen darf, leuchtet dem Verkehrsexperten nicht ein: „Im Ostteil der Stadt erfüllt die Straßenbahn teilweise U-Bahn-Funktionen. Was spricht dagegen, daß man in nicht überfüllte Straßenbahnen und Gelenkbusse sein Fahrrad mitnehmen kann?“ Andere Städte wie beispielsweise Potsdam und Bonn seien in diesem Punkt bereits weiter. Zumindest in den Straßenbahnen könne man dort sein Fahrrad mitnehmen.

Insbesondere mit ihrer Preispolitik habe die BVG viele radfahrende Kunden verprellt, so Cramer. Persönliche Zeitkartenbesitzer wie Schüler, Studenten und Senioren können zwar ohne weitere Zuzahlung ihr Fahrrad in der U- und S-Bahn transportieren, Käufer der normalen Umweltkarte schauen dagegen dumm aus der Wäsche. Sie müssen, im Gegensatz zu früheren Regelungen, bei Mitnahme eines Fahrrades für dieses ein zusätzliches Ticket lösen. Nur beim Kauf der teuren Umweltkarte Premium ist die Beförderungsmöglichkeit des Fahrrades im Preis inbegriffen. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Landesverband Berlin e.V. (ADFC) schlägt der BVG vor, erst mal wenigstens probeweise in den Sommerferien die Sperrfristen für Fahrräder aufzuheben. „Die Sperrzeitenregelungen sind unseres Erachtens überflüssig. Wenn die U-Bahn voll ist, kommt man mit dem Rad eh nicht rein“, so Pressesprecher Benno Koch. „Die BVG scheint das Fahrrad zumindest in Teilbereichen als Konkurrenz anzusehen.“

In puncto Fahrradfreundlichkeit ist die S-Bahn Berlin GmbH im Vergleich zur BVG weiter. Hier ist die Fahrradmitnahme zu jeder Tageszeit an jedem Wochentag möglich. 11,5 Millionen Fahrräder hat die S-Bahn nach Angaben von ADFC-Pressesprecher Koch 1996 transportiert. Die Fahrradmitnahmemöglichkeiten in der S-Bahn werden derzeit weiter verbessert. Innerhalb der nächsten fünf Jahre will die S-Bahn Berlin GmbH rund 500 Viertelzüge der neuen Baureihe 481 in Betrieb nehmen. Ein Viertelzug besteht aus zwei zusammenhängenden Waggons. Das Besondere der neuen Baureihe besteht vor allem darin, daß jeder Viertelzug über ein großes Mehrzweckabteil verfügt. Bei großem Radlerandrang kann im Bedarfsfall ein Teil der Sitze hochgeklappt werden, damit mehr Fahrräder in dem Abteil mitgenommen werden können. „Seit Anfang 1997 sind bereits 100 Viertelzüge der neuen Baureihe in Betrieb genommen worden, bis zum Jahr 2004 sollen zwei Drittel des Fahrzeugbestands aus dieser Baureihe stammen“, so Ingo Priegnitz, Pressesprecher der S-Bahn Berlin GmbH. In Sachen Fahrradfahrerservice zeigt sich die S-Bahn GmbH offensiv. „Hier geht es schließlich um ein großes Kundenpotential, das wir weiter erschließen möchten.“ So sei die Zusammenarbeit mit dem ADFC in den letzten Jahren intensiviert worden. Seit letztem Jahr unterstützt die S-Bahn Berlin GmbH beispielsweise die Herausgabe der Radtourenbroschüre des ADFC mit einem fünfstelligen Betrag.

Die Deutsche Bahn AG zeigt sich in letzter Zeit ebenfalls zunehmend fahrradfahrerfreundlich, zumindest im Bereich des Regionalverkehrs. „In allen Regionalzügen, Interregios und vielen Intercities ist die Fahrradmitnahme möglich“, erläutert Grünen-Verkehrssprecher Cramer.

Die Abstellmöglichkeiten für Fahrräder an U- und S-Bahnhöfen sind in den letzten Jahren verbessert worden. Als „absoluten Flop“ jedoch bezeichnet Cramer die Experimente mit kostenpflichtigen Abstellplätzen wie beispielsweise am S-Bahnhof Biesdorf. Cramer: „Das wird von den Radfahrern verständlicherweise nicht angenommen. Solche Maßnahmen sind für die Förderung des Fahrradverkehrs kontraproduktiv.“