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: Pankeltisches Crossover: Loreena McKennitt im Friedrichstadtpalast

Istanbul, im Winter 1996: Aus sämtlichen Buchläden in der Einkaufsstraße Istiklal, im Boheme-Viertel Beyoglu, dröhnt die gleiche Kassette – Loreena McKennitts „A Winter Garden“ – eine rund zwanzigminütige Sammlung altenglischer Weihnachtslieder und Poeme in folkig-orientalischer Interpretation. Durch den erstaunlichen Anklang, den ihre Musik weitab vom anglophonen Sprachraum gefunden hat, dürfte sich die Kanadierin womöglich bestätigt sehen in ihrer Theorie von den geheimen Verbindungen, die ihrer Meinung nach zwischen unterschiedlichen Kulturen bestehen und die möglicherweise irgend etwas mit den weltweiten Wanderungen mittelalterlicher Mönche zu tun haben sollen. Hm.

Das altmodische Wort „Wanderlust“ jedenfalls, das als deutsche Vokabel Eingang ins Englische gefunden hat, taucht bezeichnenderweise auch im Booklet ihres neuen Albums „The Book of Secrets“ auf – einem mosaikartigen Reisebericht, mit Stationen in Athen, Cornwall, Palermo, Dublin, Venedig, Etappen in der Transsibirischen Eisenbahn und letztendlichem Halt im englischen Wiltshire, wo die Aufnahmen entstanden. Rumgekommen ist sie also, die Sängerin mit der Harfe, die nicht nur engelsgleich singt, sondern zu allem Überfluß auch noch haargenau so aussieht. Sie füllt die Lücke zwischen Kate Bush und Enja, geht aber deutlich weiter in Richtung weltmusikalisches Crossover. Eine Ausnahmefigur ist sie aber auch in ganz anderer Hinsicht, schließlich produziert, managt und verlegt sie ihre Platten komplett selbst; vom Plattenmulti Warner werden die Songs nur vertrieben.

Unter diesen Voraussetzungen erscheint ihr kommerzieller Erfolg noch bemerkenswerter – millionenfache Verkäufe in über 40 Ländern, Chartsplazierungen, ihre Single „The Mummers Dance“ im US-Rockradio. Zweifellos muß man Loreena McKennitts obskure Pankeltismus-Theorien nicht teilen, um ihren musikalischen Ansatz zu schätzen. Aber es hilft wahrscheinlich, darüber hinwegzusehen, daß ihre Kompositionen gelegentlich die Grenze zum Kelten- Kitsch kräftig überschreiten. Daniel Bax

Ab 20 Uhr im Friedrichstadtpalast, Friedrichstraße 107, Mitte