■ Westjordanland: Netanjahu will keinen Quadratmeter zurückgeben
: Der Gaukler

Benjamin Netanjahu hat es wieder fertiggebracht: Alle sind ratlos, und er lacht sich ins Fäustchen. Dabei hatte Kofi Annan, der vor ein paar Tagen zu Besuch in Israel war, bestätigt, Netanjahu sei „intelligent, realistisch und pragmatisch“. Auch die Amerikaner glaubten, jetzt endlich sei es soweit, der Rückzug Israels aus dem Westjordanland könne beginnen. Und dann, ganz plötzlich, explodierte die Bombe: kein Kompromiß, kein Übereinkommen, nichts. Netanjahu hat den amerikanischen Vorschlag einfach abgelehnt, ohne sich zu bemühen, auch nur pro forma einen Gegenvorschlag zu machen.

Dabei war Clintons Vorschlag bereits eine völlige Kapitulation vor Netanjahu. Laut dem OsloII-Abkommen hätte sich die israelische Armee schon längst vom ganzen Jordanland, außer „bestimmten militärischen Lokalitäten“, zurückziehen müssen. Das sollte in drei Phasen geschehen. Nach dem späteren revidierten Zeitplan hätte der dritte, endgültige Rückzug im März 1998 stattfinden sollen. Aber nicht ein einziger Quadratmeter ist zurückgegeben worden.

Jetzt kam Ross und schlug vor, den ersten Rückzug überhaupt zu vergessen, den dritten in Frage zu stellen und nur den „zweiten“ Rückzug durchzuführen – und nur von 13,1 Prozent des Gebiets. Aber auch das war für Netanjahu zuviel. Er sprach von 9 Prozent, das heißt ein Zehntel von dem, das versprochen wurde (das sind nicht mehr als 2 Prozent des ursprünglichen Landes Palästina). Aber auch das meint Netanjahu nicht ernst. Er will überhaupt nichts zurückgeben. Mit seiner Gaukelei hat er aber erreicht, daß ihn inzwischen die ganze Welt als pragmatischen Friedensstifter akzeptiert, daß Arafat jedes Blutvergießen verhindert, daß die israelische Opposition es nicht wagt, ihre Stimme zu erheben, daß Europa gute Miene zum bösen Spiel macht und daß Clinton sich die Spucke aus dem Gesicht wischt und behauptet, es wäre Regen.

Wie kann Netanjahu es sich leisten, die US-Regierung so zu provozieren? Er nimmt einfach Clinton nicht ernst, und bis jetzt hat er recht behalten. Er ist sicher, daß die bedingungslose Unterstützung der jüdischen Lobby, zusammen mit der begeisterten Zustimmung der (sonst antisemitischen) christlichen Fundamentalisten, genügend Druck auf den Kongreß ausüben kann, um das Weiße Haus in Schach zu halten. So kann der Schwanz mit dem Hund wedeln.

Inzwischen wird der Zeitgewinn benutzt, um die „Erweiterung“ der Siedlungen im ganzen Land mit großer Energie vorwärts zu treiben. Palästinensische Böden werden enteignet, „illegale“ Häuser zerstört, Demonstranten mit Gummikugeln beschossen. Weitere Nägel werden in den Sarg des „Friedensprozesses“ geschlagen. Die Welt sieht zu. Uri Avnery