Irak gesteht die Produktion von Nervengas ein

■ Die Vorräte des Giftgases VX sollen längst zerstört sein, ebenso wie das B-Waffen-Programm

Berlin/Bagdad (taz/AFP/AP) – „Ja, in der Vergangenheit haben wir Fehler gemacht, aber heute ist unsere Weste rein.“ So in etwa lautet das Erklärungsmuster der irakischen Führung gegenüber der UNO beim Thema Massenvernichtungsmittel. Iraks stellvertretender Ministerpräsident Tarik Asis habe eingeräumt, daß irakische Militärs einst mit dem Nervengift VX experimentiert hätten, berichtete der Chef der UN-Sonderkommission zur Zerstörung der irakischen Massenvernichtungsmittel (Unscom), Richard Butler, am Montag in einem Rapport für den UN-Sicherheitsrat. Doch nach irakischer Darstellung sei das vor dem zweiten Golfkrieg gewesen, und nie habe es sich um „industrielle Mengen“ des geruchlosen tödlichen Gases gehandelt. In einem im vergangenen Monat vorgelegten Expertenbericht ist dagegen von 200 Tonnen VX die Rede. Ganz ähnlich hatte am Wochenende Iraks Präsidentenberater Amir al-Saadi zugegeben, einst heimlich mit Biowaffen hantiert zu haben. Doch die, so der General gegenüber der österreichischen Tageszeitung Der Standard, seien längst vernichtet: „Wir haben alles zerstört. Wir dachten sogar, die UNO würde froh sein, daß wir die gefährlichen Materialien losgeworden sind. Die Experten sind ja sehr sicherheitsbewußt und hätten vielleicht Jahre gebraucht, um das zu zerstören, was wir in ein paar Tagen zerstört haben.“ Das Problem sei nur, daß die UNO durch den 1995 nach Jordanien geflohenen Schwiegersohn und Waffenbeschaffer Saddam Husseins, Hussein Kamil, von dem irakischen B- Waffen-Programm erfahren habe. Deshalb würden die Unscom-Inspekteure nun nach Waffen suchen, die es doch gar nicht mehr gebe, beteuerte al-Saadi.

Gestern durchsuchten Inspekteure in Begleitung von Diplomaten im Irak zwei weitere Präsidentenanlagen Saddam Husseins. Damit waren sechs der insgesamt acht Arreale, in denen die Unscom Hinweise auf das B-Waffen-Programm vermutet, abgehakt. Ergebnisse teilten die Inspekteure nicht mit. Der Chef der Sonderkommission, der Srilanker Jayantha Dhanapala, erklärte nur, die beiden übrigen Anlagen würden „in den beiden kommenden Tagen“ besucht. Laut Dhanapala stehen noch die Anlagen in Sudschud in der Umgebung Bagdads sowie die Anlage Karrada in Bagdad selbst auf dem Programm der UN- Spezialisten. Am Montag hatte sich der UN-Vertreter zufrieden über die Kooperation der irakischen Behörden geäußert. Und auch Unscom-Chef Butler lobte in seinem Bericht den „neuen Geist der Kooperation“.

In der vergangenen Woche hatte die irakische Führung angegeben, sie habe den „Vater des irakischen B-Waffen-Programms“, Nasser Hindawi, verhaften lassen. Der Mikrobiologe habe sich in das westliche Ausland absetzen wollen. Die US-Regierung vermutete offiziell ein irakische Finte. Doch in der US-Presse hieß es unter Berufung auf Geheimdienstkreise, der CIA habe geplant, Hindawi mit gefälschten Papieren über den von Kurden kontrollierten Norden Iraks in die Türkei zu geleiten. Von dem Überläufer hätten sich die Geheimdienstler endlich Aufschluß über Umfang und derzeitigen Zustand des irakischen B- Waffen-Programms erhofft. Diesen Wunsch hätten die irakischen Behörden vermasselt. taud