Analyse
: Schlaffe Muskeln

■ Die Opec will die Ölproduktion drosseln. Der Erfolg ist ungewiß

Angstschweiß muß den Opec-Delegierten im Wiener Sitzungssaal auf der Stirn gestanden haben: Wie läßt sich der jüngst abgestürzte Rohölpreis wieder in erfreuliche Gewinnzonen hieven? Nach achtstündigem Verhandlungsmarathon einigte sich das Ölkartell darauf, seine tägliche Produktion um 1,25 Millionen Barrel herunterzufahren. Damit folgte es der Vereinbarung von Riad, in der Saudi-Arabien, Venezuela und Mexiko vor zehn Tagen eine Drosselung der weltweiten Ölforderung angekündigt hatten. Dieses Muskelspiel mag zunächst bei eindrucken - doch sind die Muskeln der Opec inzwischen zu schlaff, um auf dem Rohölmarkt noch den starken Mann spielen zu können.

Rechnet man zu den 1,25 Millionen Barrel noch die Drosselungen hinzu, die Norwegen und Mexiko zugesagt haben, werden in den nächsten Monaten täglich 1,5 Millionen Barrel weniger auf den Weltmarkt fließen. Das aber reicht allenfalls, um den Preis zu stabilisieren. Denn nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) wurden im Februar 1,7 Millionen Tonnen Rohöl zuviel produziert. Ein zu warmer Winter und eine schwindende Ölnachfrage im krisengebeutelten Asien ließen den weltweiten Ölbedarf absacken. Die Öllager rund um den Globus sind randvoll. Um den Preis hochzutreiben, müßte die Ölförderung drastisch reduziert werden. Zwei Millionen Barrel weniger war das Ziel von Riad. Nur: Wie soll das zustande kommen?

Iran und Indonesien, beide Opec-Mitglieder, haben eine Reduzierung abgelehnt, da sie bereits unter ihrer Förderquote produzieren. Venezuela hat zwar im Deal von Riad zugesagt, täglich 200.000 Barrel weniger zu fördern. Doch damit werden die Südamerikaner immer noch 600.000 Barrel pro Tag über ihrer Opec-Quote liegen. Weitere Zugeständnisse Venezuelas sind jedoch nicht zu erwarten: 90.000 streikfreudige Arbeiter sind dort in der Ölindustrie beschäftigt, und die Hälfte des Staatshaushalts hängt am Öl. Hier wird das Dilemma der Opec deutlich: Gebannt starrt sie abwechselnd auf den Ölpreis und ihren Weltmarktanteil. Dieser rutschte seit der ersten Ölkrise 1973 von 54 Prozent auf 40,5 Prozent Anfang 1997. Im letzten Jahr drückte die Opec ihn dann wieder auf 41,6 Prozent hoch. Jetzt zeigt sich, daß eine solche Rückeroberung von Marktanteilen nur auf Kosten des Rohölpreises geht. So blieb der Opec nur ein Ausweg: Die Nicht-Opec-Staaten mußten mit ins Boot. Das aber ist nur bedingt gelungen. Denn sie tragen nicht mehr als 20 Prozent der angekündigten Ölverknappung. So ist zu erwarten, daß die Förderdisziplin der Opec bald wieder Makulatur sein wird. Die Händler haben das Muskelspiel durchschaut: Der Barrelpreis sackte am Montag von einem vorübergehenden Hoch von 16,90 Dollar schon wieder abwärts. Niels Boeing