: Carlas Freunde
■ Vier Wochen und 200 e-mails werden ein Stück: Das „Theater unter Ausschluß der Öffentlichkeit“spielt connected im Meßberghof
Carla hat die Notbremse gezogen. Gerade noch rechtzeitig hat sie sich von Stefan getrennt. Lange hat die Beziehung zu dem Mann ihres Lebens nicht gedauert, aber 120 Tage können eine Ewigkeit sein, wenn man mit 200 Prozent leben will. Er hat zuviel gefordert, soviel, daß sie fürchten mußte, sich selbst zu verlieren.
Die junge Frau bricht alle Kontakte ab, zieht nach Hamburg, verkriecht sich in ihrer halbfertigen Wohnung und versucht, eine andere Existenz aufzubauen. Über Telefon und Internet findet sie wieder Anschluß an die Außenwelt. Auch eine neue Beziehung zeichnet sich bald ab. Endlich kommt der Abend des ersten Rendezvous mit Knut, dem großen Unbekannten aus dem Netz. Doch als es klingelt, steht wieder Stefan vor der Tür...
So alltäglich, so „normal“sich die Geschichte anhört, so interessant verspricht die Umsetzung zu werden. Denn Carla ist die Hauptperson in connected, dem neuen Stück des Theaters unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Die Gruppe unter Leitung von Tobias Derndinger hatte bereits im letzten November mit dem Stück Rumänen ihr Konzept eines Realtheaters vorgestellt, bei dem der Ort der Handlung auch Spielort ist.
Mit einem Hotelzimmer auf der Reeperbahn hat das bei Rumänen bestens funktioniert. Diesmal läßt Derndinger Melanie Marschke als Carla ein paar Klassen höher wohnen, in einem Loft des nobel sanierten Meßberghofes. Das Prinzip der „1:1-Erzählung“bleibt aber gleich. Die Zuschauer sollen die Story unmittelbar erleben, so als säßen sie bei den Nachbarn auf dem Sofa: eine intensive Voyeur-Situation.
Vielleicht wird der Abend mit Carla für einige sogar ein Treffen mit einer Bekannten. Die erzählte Vorgeschichte hat nämlich wirklich stattgefunden – ob „wirklich“hier real oder virtuell bedeutet, ist nicht einfach zu entscheiden. Vier Wochen lang hat die Hauptfigur – getarnt als „echter Mensch im Netz“– ihr Tagebuch auf ihrer Homepage veröffentlicht und um Zuschriften gebeten. Die knapp 200 eingegangenen e-mails hat Derndinger zum Teil in sein Stück eingebaut, erstaunt darüber, daß so wenig Blödes oder Obszönes darunter war. Das vielgescholtene Medium hat hier die Vorurteile Lügen gestraft und der Figur eine neue, zusätzliche Dimension verliehen.
Ob die Netz-Klausur Carla für die unerwartete Begegnung genug gestärkt hat, entscheidet weder das Leben noch das Netz, sondern das Theater.
Barbora Paluskova
Do., 2. bis So., 19. April, täglich außer montags, 20 Uhr, Meßberghof, Meßberg 1. Karten unbedingt vorbestellen unter 721 97 42. Homepage: www.friends.de/carla .
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen