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Weichei mit dem nötigen Sexappeal

■ Janek Rieke hat an Hark Bohms Hamburger Institut für Film studiert. Das ist in „Härtetest“ bemerkbar – doch nicht unangenehm

Jonas (Janek Rieke) war kein wildes Kind. Als bei seiner Entbindung ein Blitz die Stromversorgung der Kinderklinik lahmlegte, merkte er bereits, daß das Leben lebensgefährlich sein kann. Zum Glück ist sein Vater ein reicher Reeder, und Jonas wächst wohlbehütet in Kreisen des Hamburger Großbürgertums auf. Bis sich schließlich mit Macht der Sexus einen Weg in das Leben des sensiblen jungen Mannes bahnt. „Die Mädchen waren immer super genervt von mir“, sagt er dem Publikum. Solche Offenheit macht ihn sympathisch. Zumal er nicht der Häßlichste ist und sich zu benehmen weiß. Über die im Regen stehende Lena (Lisa Martinek) hält er sehr galant seinen Regenschirm und wird dafür auch prompt mit einem Küßchen bedacht. Leider hat Lena ein Fahrrad dabei, mit dem die Kurierfahrerin dem bis über beide Ohren Verliebten rasch entkommt.

Der hanseatische Autorenfilmer Janek Rieke, der sich die Rolle des Jonas selbst auf den Leib schrieb, macht keinen Hehl daraus, daß er an Hark Bohms Hamburger Institut für Film Regie studiert hat. Dort lernt man glattes Erzählkino, das marktkompatible, leichte Unterhaltung bietet, die vor allem eins ist: fernsehgerecht. Daß es Riekes erstem abendfüllenden Spielfilm trotzdem gelingt, Interesse für den Fortgang der Handlung zu wecken, liegt nicht unwesentlich an Lisa Martinek, deren Gesicht gerade im Regen verschwunden ist. So schalkhaft hat es einem zugelächelt, daß man es wiedersehen möchte.

Riekes Drehbuch führt das Liebe-auf-den-ersten-Blick-Paar dann auch tatsächlich wieder zusammen und durch eine typisch deutsche Beziehungskomödie: Lena ist militante Ökologin und Frauenrechtlerin, hat eine „Weicheiphobie“, und Jonas muß erst einmal seinen Mann stehen, bevor er sie glücklich umfangen darf. Er muß sich in genmanipulierte Kürbisse entleeren, der heimischen Bequemlichkeit entsagen und schließlich seine Herzensdame vor der Vergewaltigung durch eine Skinheadtruppe retten. Hatte der Film bis dahin viele Szenen, die zwar keine neue Definition des deutschen Humors waren, aber doch zum Schmunzeln verführten, wird er nun unangenehm. Rieke versucht, die sexuelle Gewalt mit den Mitteln des Komischen in den Griff zu bekommen und das mißlingt. Von einem entsprechend kaltschnäuzigen Regisseur ließe man sich so etwas ja vielleicht bieten – hier wirkt es peinlich. Um darzustellen, daß Skinheads sich beim Vergewaltigen dämlich anstellen, ist ein leichter Unterhaltungsfilm einfach nicht der richtige Ort, und als bewußten Stilbruch kann man die Szene auch nicht verstehen. Dafür bemüht sich Riekes Inszenierung viel zu sehr, alles als gar nicht so schlimm erscheinen zu lassen. Der dämlichste der Vergewaltiger streicht Lena täppisch eine Haarsträne aus dem Gesicht, nachdem seine Kumpels von Jonas mit viel Glück zu Boden geschickt wurden. Gleich danach starten Jonas und Lena ins glückliche Ende nach Italien.

Wenn der Film trotzdem nicht in schlechter Erinnerung bleibt, hat er das dem Charme des Hauptdarstellers und Regisseurs zu verdanken. Der bastelt zur Zeit an einem Drehbuch, das zwei Räuber in Schweden gegen einen Elch fahren läßt. Kann man so einem Mann böse sein? Christian Loeffelbein

„Härtetest“. Regie/Buch: Janek Rieke. Mit Lisa Martinek, Gerhard Garbers, Katrin Saß, D 1998, 84 Min.

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