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■ NachschlagNichts ist, wie es scheint: „Hammerschlag“ im Zan Pollo

Ein augenloser Hutträger sitzt an einem Tisch. Seine spitze, gebogene Nase harmoniert perfekt mit der Form seiner Schuhe, die sich dafür farblich seinem Teint anpassen. Irgendwann – der „Hammerschlag“ im Zan Pollo Theater geht in die letzte Runde – gibt es ein eigenartiges Klopfgeräusch, zu dem die Vogelnase rhythmisch einknickt („Es ist seine eigene Erfindung.“ – „Er atmet!“). Arme und Beine heben krampfartig ab, Kopf und Hut rollen davon, an ihrer Stelle erscheint ein Luftballon. Peng! Das ist hübsch und ein wenig gemein. Federleichter Nonsens voll grotesker Überraschungen.

Der in Berlin lebende 64jährige Schriftsteller Horst Hussel ist im Zweitberuf Graphiker und Zeichner, und seine unter dem Titel „Hammerschlag“ versammelten Dramolette wirken auf den ersten Blick wie flüchtig hingeworfene Skizzen alltäglicher Begebenheiten. Was sie darüber hinaushebt, ist das hinterhältige Eigenleben der Husselschen Wortgeschöpfe: Anstatt syntaktisch folgsam und inhaltlich folgerichtig abzuspulen, suhlen sie sich in ihrem Klang und versehen die Episoden mit einer zweiten – und dritten – Ebene. Denn nicht nur klingt hier vieles wie Ernst Jandl oder Daniil Charms, Hussel geizt auch nicht mit Zitaten. Nichts ist nur das, was es zu sein scheint – und also ist der Text für das Zan Pollo Theater wie geschaffen.

Das Spiel der sieben Darsteller unter der Regie von Peter Schöttle ist zuweilen überraschend realistisch, und der Wortwitz („Freiwillig muß er nicht“) kommt oft so beiläufig daher, daß man ihn fast überhört. Dann wieder kippen einzelne Sätze und Bewegungen aus den Fugen: Wenn die Herren- und Damenrunden auf den drei Zentren der kargen Bühne (ein Tisch links, einer rechts, eine Bank in der hinteren Mitte) in ständig wechselnden Konstellationen aufeinandertreffen, dann finden sich auf beiden Seiten geschwächte Physiognomien, die unter dem Wortgewitter der Freunde buchstäblich zusammenklappen. Hussels Menschen sind lethargische Hysteriker, sie freuen sich an der Ereignislosigkeit und setzen sich aus Langeweile voreinander in Szene: „Noch tät' ich's aushalten mich kuckt einer. Mich immer. Kuckt er? Mich immer.“

In dieser Inszenierung erweist sich das Zan Pollo erneut als Meister der Schräglage. Sehr komödiantisch ist das diesmal geworden, poetische Momente sind rar. Am Ende entzünden alle gemeinschaftlich ein falsches Feuer, und der Männergesangverein tönt inbrünstig: „Unter uns der Himmel, über uns die See.“ Sabine Leucht

Bis 26. April, Fr. bis So., 21 Uhr. Zan Pollo, Rheinstr. 45, Steglitz

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