"Nahezu unmöglich, die Schulden abzutragen"

■ Dem Senat werde es nicht gelingen, das Haushaltsloch von 61 Milliarden Mark mit seiner Privatisierungs- und Sparpolitik zu schließen, sagt Wolfgang Rupf. Der Vorstandssprecher der Bankgesellscha

taz: Was hat Berlin von der Fusion der Bankgesellschaft mit der NordLB?

Wolfgang Rupf: Mit dem Euro entsteht ein Markt von dreihundert Millionen Menschen. Das wird den Wettbewerb der Banken sehr verschärfen, zuerst in den Großstädten. Die angestrebte Fusion mit der NordLB zeigt, daß wir uns diesem Wettbewerb stellen wollen. Dazu müssen wir schlagkräftig sein. Wenn wir klein blieben, könnten wir die europaweite Werbung für unsere Produkte nicht bezahlen. Natürlich bleiben wir regionalpolitisch verankert und wollen mit der Fusion hier unsere Stellung gegen andere Wettbewerber stärken. Schließlich haben wir in Berlin einen fünfzigprozentigen Anteil im Privatkundengeschäft.

Bisher waren mit der öffentlich- rechtlichen Bankgesellschaft auch Erwartungen verbunden, die Strukturpolitik des Landes zu unterstützen. Spielt das für ein privates Bankunternehmen eine Rolle?

Auch wenn die öffentliche Hand Eigentümerin ist, muß eine Bank ihre Geschäftsziele selbst definieren. Zu erwarten, daß eine Bank Strukturpolitik für das Land macht, ist der falsche Weg. Dann nämlich werden Aufgaben der Politik und des Parlaments dorthin verlagert, wo keine Kontrolle mehr stattfinden kann. Das ist ordnungspolitisch nicht der richtige Weg.

Kann es SPD-Senatorin Annette Fugmann-Heesing gelingen, die riesigen Finanzlöcher im Landeshaushalt zu schließen?

Ich bin da ganz offen: Es ist ein nahezu unmögliches Unterfangen. Der Schuldenberg ist mit 61 Milliarden einfach zu hoch. Ich weiß nicht, wie man ihn in überschaubaren Zeiträumen ohne fremde Hilfe abtragen sollte. Allerdings wird Berlin nur dann Unterstützung von außen bekommen, wenn hier alles versucht wird, was irgendmöglich erscheint.

Sehen Sie die Chance, mehr öffentliches Geld vom Bund oder anderen Ländern zu beschaffen?

Zuerst muß man sein Haus in Ordnung bringen. Wenn es dabei eine klare Konzeption gibt, wird man auch Hilfe bekommen. Das ist wie bei der Sanierung eines Unternehmens. Wenn die Firma eine plausible Linie verfolgt, geben die Banken Kredite, um das auch umzusetzen.

Hat die Finanzsenatorin eine klare Konzeption?

Die Richtung stimmt. Aber es ist schwierig, das auf die Reihe zu kriegen.

Währenddessen erleben wir eine Diskussion über den Länderfinanzausgleich. Die reichen Bundesländer sind eher weniger bereit, für die ärmeren Länder zu zahlen. Hilfe von außen?

Es ist ziemlich klar, daß die Länder mit hohen Defiziten ihr Finanzgebahren ändern müssen. Wenn ein Land pro Kopf der Bevölkerung einen Verwaltungsaufwand von 3,50 Mark hat, ein anderes hingegen nur 2,50 Mark ausgibt, wird letzteres nicht ewig einen Ausgleich bezahlen wollen. Wer mehr Schulden hat, muß oft auch mehr sparen. Insofern wird der Länderfinanzausgleich wohl verändert werden. Ich kann mir aber auch vorstellen, daß es irgendwann zu einer Neugliederung des Bundesgebietes kommt. Daß die Region Berlin-Brandenburg kaum lösbare Probleme hat, sieht inzwischen jeder Blinde.

Wenn der Senat einen großen Teil seiner Immobilien für rund 20 Milliarden Mark verkaufen würde, könnte er die Schulden entscheidend reduzieren, meint die Industrie- und Handelskammer. Realistisch?

Das ist nicht erfolgversprechend. Was wäre das Ergebnis? Ein gigantisches Überangebot. Potentielle Käufer würden sich sagen: Die müssen ja verkaufen. Da warte ich doch lieber noch ein halbes Jährchen. Dann wird's billiger. Gleichzeitig haben nur wenige Leute überhaupt Lust, nach Berlin zu ziehen. Man darf also von dem Fonds-Vorschlag keine Wunder erwarten.

Kein Befreiungsschlag, sondern nur Verkauf in kleinen Portionen?

Außerdem muß man sehr exakt formulieren, was man strukturpolitisch erreichen will. Im Augenblick wäre es ratsam, Grundstücke anzubieten, auf denen sich neue Steuerzahler ansiedeln – Firmen oder Privatleute. Eine Haushaltskonsolidierung ohne Strukturpolitik kann nicht greifen. Sie bringt keinen langfristigen Nutzen.

Halten Sie den Liegenschaftsfonds nicht eigentlich für Blödsinn?

Ich halte die Diskussion, wie sie im Augenblick geführt wird, für verkürzt. Es wird nicht analysiert, was sich daraus erzielen läßt. Solange es nur darum geht, einen Sonderhaushalt zu schaffen, damit der offzielle Etat beser aussieht, kann ich das nicht unterstützen.

Machen Sie sich denn Gedanken, wie die Bankgesellschaft einen kleineren Grundstückfonds von sagen wir einer Milliarde Mark gemeinsam mit dem Land auflegen könnte?

Wenn die Stadt die Grundstücke richtig aussucht, so daß die Ansiedlung von Betrieben möglich wird, ließe sich schon etwas bewegen. Es wäre eine überschaubare Größenordnung.

Haben Sie Planungen in der Schublade?

Unsere Tochter Immobilien- und Baumamagement GmbH steht im laufenden Kontakt zur Regierung. Auch wir haben ja das Interesse, den hiesigen Markt zu verbessern. Wir wollen also an allem mithelfen, was das Fundament stabilisiert.

Sind Sie auch deshalb so vorsichtig, weil Sie früher mit risikoreichen Immobiliengeschäften einige Verluste zu verkraften hatten?

Wir kaufen keine Grundstücke auf Vorrat und beten dann zum lieben Gott.

Bei den Gebäuden der ehemaligen französischen Botschaft Unter den Linden, die Sie von dem bankrotten Schneider-Konzern kauften, sind viele Gebete notwendig.

Es gab Mißkalkulationen – und eine Euphorie nach der Wiedervereinigung. Inzwischen ist man nüchterner geworden.

Werden sie ernst genommen in der privaten Bankenwelt, wenn es Personen wie Klaus-Rüdiger Landowsky gibt, der den Vorstand der BerlinHyp, einer Tochter der Bankgesellschaft, und gleichzeitig die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus leitet?

Wenn ein Politiker seine Funktion in der Wirtschaft unter rein politischen Interessen ausüben würde, wäre das falsch. Herr Landowsky ist als Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft jedoch den Vorschriften des Aktienrechts unterworfen. So muß er sich gründlich überlegen, welche Entscheidungen er dort trifft. Der Vorstand haftet ja gemeinsam und ist dem Aufsichtsrat und seinem Kreditausschuß rechenschaftspflichtig.

Zudem stehen die Gremien unter der Kontrolle der Wirtschaftsprüfer, die die einzelnen Kredite unter die Lupe nehmen. Deren Prüfbericht wiederum liegt den Aktionären vor.

Mitunter kauft die Bankgesellschaft dem Land Firmen ab – zum Beispiel die Wohnungsbaugesellschaft Arwobau. Sind da Insiderinformationen aus der Politik nicht Gold wert?

Wir nutzen alle Informationen, natürlich. Ob das jetzt über einen Fraktionsvorsitzenden läuft oder über einen einfachen Abgeordneten – oder über den Onkel oder die Schwester eines Mitarbeiters. Man lebt von diesem Spektrum von Informationen.

Aber die Menschen, die auf beiden Seiten Funktionen innehaben, müssen ihre Gebiete säuberlich voneinander trennen. Wenn Landowsky in der CDU Positionen der Bank vertreten würde, wäre das nicht gut – ebensowenig, wenn er CDU-Politik in den Bankvorstand hineintragen würde. Dann hätte er ein ernsthaftes Problem. Mein Kollege hat diese Grenzen immer eingehalten.

Hat die Bank früher Kredite aufgrund politischer Interessen vergeben, obwohl sie wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen waren?

Mir ist kein derartiger Fall bekannt. Der größte „politische Kredit“ (70 Millionen Mark), den wir gegenwärtig geben, betrifft die Rennstrecke Lausitzring. Damit hängt ein großes wirtschaftliches Risiko zusammen. Aber wir glauben, daß das Projekt eine gute Chance hat.

Viele meinen, daß die Investitionen für die Formel-1-Piste und den Freizeitpark sprichwörtlich in den Sand gesetzt werden.

Solche Argumente werden oft von den Wettbewerbern gebracht. Wenn ich eine Rennstrecke in Hockenheim habe, finde ich es natürlich nicht lustig, daß noch eine weitere aufmacht. Ich kann das Land Brandenburg aber verstehen: In der Lausitz passiert sonst fast nichts. Auch in andere Freizeitparks wie bei Bremen, Köln oder Euro Disney bei Paris haben die Banken gleichermaßen Geld investiert.

Die Gewerkschaft HBV geht davon aus, daß im Falle der Fusion zweier Banken mindestens zehn Prozent des Personals eingespart werden. Stehen durch die Verschmelzung der NordLB mit der Bankgesellschaft also 2.300 Stellen auf der Abschußliste – zusätzlich zu den 2.000 Jobs, die die Bankgesellschaft ohnehin noch streichen will?

Von Ende 1996 bis Ende 1997 hat sich der Personalstand der Bankgesellschaft nur um 21 Stellen reduziert. Und die Fusion mit der NordLB hat relativ wenig Einfluß auf die Arbeitsplätze, denn beide Häuser arbeiten in getrennten Märkten. Wir haben im Filialbereich nur wenige parallele Einrichtungen. Einsparungen rechnen wir uns lediglich bei den Zentralabteilungen wie Volkswirtschaft, Recht, Personal und EDV aus.

Interview: Gerd Nowakowski,

Hannes Koch