Wand und Boden
: Plakate, transkribiert

■ Kunst in Berlin jetzt: DC Veero, Ketty La Rocca, Maja Weyermann

Hippie macht happy. Zugegeben, das ist ein Satz, dessen Reiz mehr in seiner Phonetik als in seiner Semantik liegt. Trotzdem, er ist kein sinnloser Satz. Denn DC Veero, Aussteiger, Ashram-Jünger und Asien-Reisender, macht glücklich; mit seinen Bildern, die er selbst am besten beschreibt: „Meine Malweise entspricht einer Comiczeichnung: einfach Linien, ausgefüllt mit Farbe.“ Hinzuzufügen ist, daß seine Farben knallbunt sind und seine Linien überbordend. Über 80 seiner Ölgemälde und Zeichnungen aus den letzten zehn Jahren sind jetzt im Haus am Lützowplatz zu sehen. Die besten seiner Arbeiten erwecken immer den Eindruck, daß Dieter Cornels, wie der 1938 in Berlin, Prenzlauer Berg, geborene Künstler hieß, bevor er 1978 in Poona den Namen Deva Veero (Göttlicher Mut) erhielt, eine Art Delphin mit Kamera ist. Jedenfalls ein Wesen, das sich mit Lust und Vorliebe im Meer tummelt und mit etwas anderen, kaleidoskopisch organisierten Augen aus dem Wasser heraus perspektivisch stark verzerrte Ansichten vom Ufer festhält, gesunkenen Schiffen nachspürt, beobachtet, wie ein Matrose über Bord geht, oder einfach eine Yacht mit Beiboot im Schlepptau als Motiv entdeckt, so bei „Vollendung“, 1993. Selbstverständlich mutet die Flower-power-Ästhetik mit ihren Herzchen und Blümchen, die der Mann pflegt, der als Galerist Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre die damaligen Newcomer Sigmar Polke, Jörg Immendorf oder Martin Kippenberger protegierte, auch skurril an. Doch wenn er mit seinem psychedelischen Pop, in dem er Fliegenpilz, Peyote- Kaktus und das Feuerwerk des asiatischen Kinos und Comics mischt, die Spur zur Subkultur vergangener Tage aufnimmt, was soll daran falsch sein?

Bis 31.5., Di.–So. 11–18 Uhr, Lützowplatz 9

Auch die italienische Künstlerin Ketty La Rocca wurde 1938 geboren. Sie starb jung, 1976, mit 38 Jahren. 1972 war sie auf der Biennale in Venedig vertreten und stellte in London, Köln, Philadelphia, Dortmund, Innsbruck und Helsinki aus. Sie konnte als erfolgreiche Künstlerin gelten, doch in einem Brief an die amerikanische Kunstkritikerin Lucy Lippard beklagte sie ihre marginalisierte Position als Frau im Kunstbetrieb, wie in einer CD-ROM mit Biographie und Werkverzeichnis zu erfahren ist. Inzwischen wird ihr Werk wiederentdeckt.

Die Fragen nach Identitäts- und Geschlechterpolitik wie nach der sozialen Konstruktion des Körpers geben ihren Arbeiten erneute Aktualität und zeigen sie als eine der frühesten und stimmigsten Positionen auf diesem Feld. Wie bei Kienzle & Gmeiner zu sehen ist, waren Zeichnung, Collage, Skulptur, Fotografie, Performance und schließlich Video La Roccas Ausdrucksmittel; ihr zentrales Motiv die Sprache und „you“ zunehmend das entscheidende Wort. Zuvor hatte sie allerdings schon „I“ gesagt, 1970, mit einem plastischen Körper aus schwarzem PVC, der seinen schwarzen Schlagschatten vor sich wirft. Die ersten Arbeiten sind Collagen aus Schriftschnipseln und politischen Slogans, die La Rocca mit gefundenem Bildmaterial, gerne zuckersüßen Pin-ups, kombinierte und somit als Frage nach Macht und Geschlechterverhältnis zuspitzte. „Polyptychs“, eine andere Serie von Arbeiten, transkribiert Bilder in Worte und Sätze, wobei die sprachliche Übersetzung das Bild aber tatsächlich nur fortschreibt. La Rocca deckte dabei früh die Macht der populären Bilder des Kinos auf. So nahm sie ein „Vom Winde verweht“- Plakat zum Ausgangspunkt einer Zeichnung, in der sie die Umrißlinien der Figuren zunächst mit Schrift markierte, um die Leerstellen dann mit schwarzer Tusche zu füllen. Nachgerade tautologisch übersetzt und überführt die Handschrift in „Videotape“ schließlich das Bild zweier Hände in die Zeichnung, in das „Diagramm des Phantoms des Originals“ (Giorgio Verzotti).

Bis 7.5., Di.–Fr. 11–19, Sa. 11–16 Uhr, Bleibtreustraße 54

„Transformed Object“ verweist auf die Funktion eines 3-D-Computergrafikprogrammes, mit dem sich Objekte im virtuellen Raum in Maßstab und Perspektive verändern lassen. Die Schweizer Künstlerin Maja Weyermann überführt dieses Verfahren nun in den realen Raum der Kunstruimente Berlin. Man könnte in Anlehnung an Verzotti von den „Kubaturen des Phantoms des Originals“ sprechen. Das Original sind zwei Räume der Kunstruimente, deren Längs- und Breitseite Weyermann vermessen und damit deren Mitte gefunden hat. Die Punkte der Mitten verband sie mit Linien und fand so das Phantom, den Grundriß zweier rhombischer Raumkörper, die sie dann aus Spanplatten nachbaute, an die Decke hob und vertauschte. Der kleiner Raum scheint nun in seinem Phantommodell von oben in den größeren Raum hineinzustoßen, während der größere Raum(körper) aus dem kleineren herauszuplatzen scheint. Ursprünglich sollten die Spanplattenkörper ihrer Raum- als-Objekt-Arbeit bemalt werden, doch dann stellte sich heraus, daß ihre rohe Oberfläche bestens mit dem rohen Zustand der Räume harmonierte und die Anmutung eines entgrenzten malerischen Bildes mit den schlichten Kisten längst gefunden war.

Bis 28.4., Do., Fr. 14–19, Sa. 13–19 Uhr, Sophienstraße 18

Brigitte Werneburg