Amnestie für Rumäniens Soldaten

Verteidigungsminister Ionescu will im Parlament eine Generalamnestie für Soldaten vorschlagen, die 1989 mehrere hundert Demonstranten getötet haben  ■ Aus Bukarest Keno Verseck

Rumänien plant eine Generalamnestie füer Armeeangehörige, die im Dezember 1989 gegen Anti- Ceaușescu-Demonstranten vorgegangen sind und mehrere hundert Menschen ermordet haben. Einen entsprechenden Vorschlag machte der rumänische Verteidigungsminister Constantin Dudu Ionescu am Sonnabend. Er will dem Parlament in dieser Woche einen Gesetzesvorschlag für eine Generalamnestie präsentieren.

Ionescu begründete seinen Vorschlag damit, daß das Ansehen der Armee nicht mehr dadurch untergraben werden dürfe, indem sie für die Ereignisse des Dezember 1989 verantwortlich gemacht werde. Die Armee habe im Dezember 1989 „legal“ und „entsprechend den geltenden Anweisungen gehandelt“.

Rumänien ist das einzige Land Osteuropas, in dem der Sturz der kommunistischen Diktatur blutig verlief. Bevor Diktator Nicolae Ceaușescu am 22. Dezember 1989 stürzte und die Armee auf die Seite der Anti-Ceaușescu-Demonstranten überlief, hatte sie auf diese schießen lassen. Aufgeklärt wurden die Verbrechen der Armee bisher nicht. Die meisten der bereits vorhandenen Untersuchungsakten verschwanden in den Schubladen der Militärstaatsanwaltschaft. Verurteilt wurden für ihre Rolle bei der Verteidigung der Ceaușescu-Regimes nur wenige Personen. Die meisten davon sind auf freiem Fuß oder haftunfähig.

Nachdem die demokratische Opposition im November 1997 die Wahlen gewann, versprach Staatspräsident Emil Constantinescu, daß die „Wahrheit über die Revolution von 1989“ binnen Jahresfrist ans Licht kommen werde. Tatsächlich sind seither mehrere Armeeangehörige angeklagt worden, darunter der ehemalige Armeegeneral Victor Atanasie Stanculescu, der nach 1989 der erste postkommunistische Verteidigungsminister war und heute einer der reichsten Geschäftsmänner Rumäniens ist. Stanculescu ist angeklagt, im Dezember 1989 einen Schießbefehl auf Demonstranten in Temesvar gegeben zu haben.

Gegen diese Prozesse macht sich jedoch in der Armee und in einigen Parteien der Regierungskoalition zunehmend Unmut breit. Staatspräsident Constantinescu sagte am Samstag während einer großen Militärparade in Bukarest, daß Rumänien stolz auf seine Armee als eine patriotische Institution sein müsse und diese nicht mehr diskreditiert werden dürfe.