Blanke Nerven

■ Nach Kandidaten-Duell: GAL-Chef Schaar sieht Wende in der Friedenspolitik

„Die Nerven lagen ziemlich blank“, resümiert die linke GAL-Parteisprecherin Antje Radcke die turbulente Landesmitgliederversammlung um die Wahl der BundestagskandidatInnen vom Sonntag. Mit nur zwei Stimmen schlitterten die Hamburger Grünen an einem offenen Flügelkampf vorbei; die linke Amke Dietert-Scheuer setzte sich erst im dritten Wahlgang gegen den Realo Kurt Edler für Platz zwei der Landesliste durch.

Die „allgemeine Aufgeregtheit“zeige, „daß die Appelle zur Geschlossenheit an der Oberfläche geblieben sind“, so Radcke. In der Partei sei „die Legende aufgebaut“worden, die Linken seien an grünen Stimm- und Umfrageverlusten schuld. Im Ergebnis sei man aber noch einmal „glimpflich davongekommen“. Alle hätten nun „Dampf abgelassen“. Eine Aufkündigung des Flügelproporzes durch die Realos, die im letzten Augenblick Kurt Edler als Ersatz für den erkrankten „Oberrealo“Jo Müller als Gegenkandidat für Platz zwei aufgestellt hatten, hält die Parteisprecherin für unwahrscheinlich.

Auch Radckes Sprecherkollege Peter Schaar findet, daß man mit dem Ausgang der KandidatInnenaufstellung „zufrieden“sein kann. Grundsätzlich sei es jedoch richtig, nicht hinter den Flügel-Kulissen alle KandidatInnen auszukungeln. „Die Mitglieder sind mündig“, so Schaar. „Strömungsgesichtspunkte sollten nicht im Vordergrund stehen.“

Die Linken hätten mit Dietert-Scheuer eine Kandidatin aufgestellt, von der sie wußten, „daß sie es schwer haben wird“, so Schaar. Die populäre Radcke hingegen, die bei den Linken vorab durchgefallen war, wäre auch für die Realos wählbar gewesen. Außerdem hätten die Linken klargemacht, daß sie Platz zwei auch dann beansprucht hätten, wenn sie Platz eins gewonnen hätten.

Der umstrittene Friedenspolitiker Uli Cremer sollte dann antreten. Cremer hatte auf dem Magdeburger Parteitag gegen die Nato-Osterweiterung mobilisiert. Daß Cremer auf Platz drei gegen Edler unterlag, sieht Schaar als die eigentliche Wende. „Noch nie vorher hat es so eine deutliche Entscheidung mit einem friedenspolitischen Hintergrund gegeben“, sagt Schaar.

Silke Mertins