Neues vom mörderischen Paar Ubu

■ Vorsicht! Einige dieser Filme könnten Sie glücklich machen: Zwischenbericht vom 9. Internationalen Trickfilmfestival in Stuttgart

Guten Tag, liebe Leserinnen, liebe Leser!

Wie fühlen Sie sich heute? So lala? Den Besuchern des Internationalen Trickfilmfestivals von Stuttgart geht es dann auf jeden Fall sehr viel besser als Ihnen. Seit dem vergangenen Freitag verbringen die Animationsfilmfreunde nämlich nahezu den gesamten Tag im Kino, nur wenige Minuten davon haben sie bisher bereut.

Weitaus entschiedener als noch beim letzen Mal – das Festival findet alle zwei Jahre statt – hat sich das Stuttgarter Auswahlkomitee für den Wettbewerb auf künstlerische Filme konzentriert. Im Zeitalter von künstlerisch wertvollen Plastiksesseln bzw. avantgardistischer Achtstundenperformances klingt das abschreckend, aber keine Angst: Stuttgart zeigte bisher eine große Auswahl zeitgenössischer Animationsfilmkunst, die sich, je nach Regisseur, allen Bereichen widmete – von der Komik, sogar dem Klamauk, über die Erzählung bis hin zum Experimentalfilm.

Komisch waren zum Beispiel der Beitrag von Jeff Newitt und Nevill Astly aus England, deren Stop-motion-Film ein seltsames Hobby einiger Inselbewohner veranschaulicht: das Zügenotieren. Hierfür setzen sich Zügenotierer bei Wind und Wetter auf einen Bahnsteig und warten auf einen ganz bestimmten Zug. Sobald der vorbeibraust, wird seine Nummer aufgeschrieben und damit in die Sammlung aufgenommen. Was allerdings passieren kann, wenn der Zügenotierer körperliche Defizite aufweist, ist Gegenstand des herrlichen Films „Trainspotter“.

Ausgesprochen beunruhigend dagegen kam Heinrich Sabls „Père Ubu (Teil 2)“ daher. Hatte der Berliner Puppenanimationsfilmer für den ersten Part seiner Alfred- Jarry-Adaption schon Katharina Thalbach als Sprecherin einsetzen können, so legte er in der Fortsetzung nach: Sein Erzähler ist Blixa Bargeld; vor allem aber sind es die Stimmen von Ben Becker und Sophie Rois, die das mörderische Paar Ubu zu einem Schrecken werden lassen.

Im Zeichentrick gab es bisher eher Enttäuschendes zu sehen. So brachte der walisische Regisseur Phil Mulloy, bekannt für wahrhaft sarkastische Abrechnungen mit dieser Welt, die Vita seines engsten Mitarbeiters auf die Leinwand. „The wind of changes“ erzählt die Lebensgeschichte des Komponisten Alex Balanescu; Phil Mulloy verwendet jedoch klischeehafte Darstellungen, wie sie sonst nur durchschnittliche Karikaturisten in verschnarchten Tageszeitungen einzusetzen wagen: ein blutiger Schneemann, der mit Farbe aus einem mit „Hoffnung“ beschriftetem Eimer bepinselt wird, ist reichlich unter Mulloys gewohntem Niveau.

Auch der deutsche Beitrag „Futter“ gab Anlaß zur Verwunderung. Immerhin hat Carsten Strauch hierfür den Bundesfilmpreis eingeheimst, jedoch nicht verdient – seine Dialoge sind zwar sehr schön, die Animation jedoch auf keinen Fall wettbewerbsreif.

Für den Besucher haben aber auch die Schattenseiten des Festivals ihr Gutes. Schließlich wird am späten Abend untereinander diskutiert, was der Tag im Kino mit sich gebracht hat: Abgesehen vom Wettbewerb laufen auch noch fünf Retrospektiven und sechs Ausstellungen; es gibt ein nach Nationen geordnetes Panorama-Programm zu sehen und einen Schwerpunkt Japan; darüber hinaus zeigt die Reihe „Young Animation“, was der Trickfilm-Nachwuchs treibt, und erstmals hat das Festival einen Wettbewerb für kindergerechte und deshalb natürlich überhaupt nicht erwachsenenuntaugliche Animationsfilme eingerichtet.

Spüren Sie möglicherweise jetzt so ein Kratzen im Hals? Tränen Ihnen die Augen? Dann sollten Sie sich schleunigst krank melden. Das Internationale Trickfilmfestival in Stuttgart endet am Donnerstag nicht vor 5 Uhr morgens. Bis dahin können Sie, wenn Sie sofort losfahren, noch ca. 80 (in Worten: achtzig) – Filme sehen. Und einige davon werden Sie bestimmt glücklich machen. Carola Rönneburg

Kontakt: Festivalbüro des Internationalen Trickfilmfestivals Stuttgart, Teckstraße 56, 70190 Stuttgart, Tel.: 0711/925 460

Internet: http://www.itfs.de