■ Vorschlag / Nachschlag
: Der Bart ist echt: Fotos von Del LaGrace Volcano im „Anderen Ufer“

Es ist noch nicht so lange her, da hieß sie Della Grace, studierte Film und Fotografie an der University of Derby und sorgte für Furore, indem sie sich mit ihrer Kamera auf die Suche nach einer lesbischen Erotik begab. Damals, in den achtziger Jahren, wollte das Stichwort Lust im feministischen Denken keinen rechten Platz finden; Frauenkörper beim Sex abzulichten, wie Grace es tat, rührte an ein Bilderverbot. Heute ist aus der Fotografin ein Fotograf geworden, mit echtem Bart und tiefer Stimme. Del LaGrace Volcano, so der neue Name, lebt in London, sieht sich selbst als Hermaphrodyke (zusammengesetzt aus Hermaphrodit und dyke für Lesbe), nimmt Testosteron, und seine Aufmerksamkeit gilt Menschen, deren Lebensläufe dem seinen ähneln. Eine kleine Auswahl seiner Fotos ist seit dem vergangenen Wochenende in der Schöneberger Kneipe „Anderes Ufer“ zu sehen. „Transexpress“, so der Titel der Ausstellung, versammelt Porträts von Gender-Hasardeuren aus San Francisco, London und Berlin; lokale Berühmtheiten und internationale Größen der Bewegung geben sich ein Stelldichein. Johnny, den Besucherinnen des Kreuzberger Bierhimmels als Kavalier alter Schule wohlbekannt, hängt nicht weit entfernt von Transgender-Star Leslie Feinberg, deren Lesungen ganze Säle füllen.

LaGrace Volcano arbeitet mal mit satten Farben, mal in zurückhaltendem Schwarzweiß. Der Wille zur Stilisierung ist ihr wie den Porträtierten gemein; ein wenig Eitelkeit gehört dazu, ein wenig Selbstverliebtheit auch. Nicht zufällig bildet der Blick in den Spiegel ein wiederkehrendes Motiv. Eines gerät auf allen Aufnahmen durcheinander: die Raster, mittels derer Gesichter und Körper einem Geschlecht zugeordnet werden. Männerrollen werden mit den Kleidungsstücken an- oder abgelegt. Da gibt es den Boxer, den Dandy, den Gassenjungen oder auch den Cowboy, der, die Flinte geschultert, die Weiten des amerikanischen Westens ermißt wie einst seine Vorväter, die Pioniere aus den Grenzmythen. Von der Kehrseite des Transgender-Glam erfährt man dabei wenig. Wo andere – etwa die Fotografin Nan Goldin, bekannt für ihre Porträts von Transsexuellen aus New Yorks schwuler Subkultur – immer auch von Einsamkeit, von Verletzungen erzählen, feiert LaGrace Volcano ein neuerwachtes Selbstbewußtsein. Christina Nord

Del LaGrace Volcano: „Transexpress“. Anderes Ufer, Hauptstraße 157, Schöneberg, noch bis zum 24. Juni