■ Vorlauf
: Ohne Thriller-Kosmetik

„Vergewaltigt – Eine Frau schlägt zurück“ (20.15 Uhr, RTL)

Wenn ein Film mit einem derartigen Titel für sich „wirbt“ und es sich dazu noch um eine Eigenproduktion des einschlägig bekannten Senders RTL handelt, weckt das erst mal üble Ahnungen. Doch das TV-Drama, dessen Regisseur Martin Enlen („Vergewaltigt – Die Wahrheit und andere Lügen“, „Roula“) sich schon in mehreren Arbeiten mit sexuellem Mißbrauch auseinandergesetzt hat, gehört zu den sehenswerten Beiträgen zum Thema – weil es nicht unterhält, sondern bedrückt, weil es weniger auf Thriller-Dramaturgie denn auf fast dokumentarisch anmutenden Realismus setzt.

Zunächst schildert der Film die Fälle dreier Vergewaltigungsopfer: der verheirateten Mutter Christine (Iris Berben), der Lesbierin Maria (Antje Schmidt) und der Studentin Tanya (Katja Studt). Dann stellt sich heraus, daß es sich bei ihrem Peiniger um denselben Mann handelt. Doch Drehbuchautorin Melanie Robben verzichtet weitgehend darauf, das überstrapazierte Serientäter-Motiv spannungsfördernd auszuschlachten. Vielmehr rückt sie die körperlichen und seelischen Qualen der Frauen in den Mittelpunkt, zeigt, welch irreparablen Bruch das Verbrechen in deren Leben bedeutet. Nur manchmal unterlaufen der Inszenierung Ausrutscher, etwa wenn mit langen Aufnahmen vom stoßweisen Atmen des Täters suggeriert werden soll, er befände sich im Wohnzimmer des Zuschauers. Und auch die Befragungen der Opfer, die berechtigterweise als erneute Tortur dargestellt werden, erscheinen stellenweise etwas stilisiert: So betont unsensibel wie die Polizistin Gabriele Kroll (Petra Kleinert) würde sich hoffentlich keine Beamtin verhalten. Insgesamt jedoch beeindrucken der Film und seine drei Hauptdarstellerinnen durch den Mut und die künstlerische Kraft, dem Zuschauer zuzusetzen. Wie sehr das gelungen ist, merkt man am Schluß: Nachdem die Handlung im Gerichtssaal ihr Ende gefunden hat, klingt der Film mit einer Pop- Ballade aus, die normalerweise pathetisch wirken würde. Hier aber ist man dankbar für diese lange vermißte Gelegenheit, einmal tief durchzuatmen. Peter Luley