piwik no script img

Mehr Kriegsflüchtlinge kehren heim

Bosnien-Beauftragter der Bundesregierung zufrieden mit Anstieg der Rückkehrerzahl nach Ex-Jugoslawien. Keine Prognose für 1998. Minister der Republik Srpska: Jeder bekommt seinen Wohnraum wieder  ■ Aus Berlin Vera Gaserow

Der Bosnien-Beauftragte der Bundesregierung, Dietmar Schlee, hat eine optimistische Bilanz der bisherigen Rückkehr von Kriegsflüchtlingen nach Ex-Jugoslawien gezogen. „Allen Rückschlägen zum Trotz“ sei eine „beachtliche Entwicklung in Gang gekommen“. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres sind nach Schlees Angaben mehr als 15.000 Flüchtlinge nach Bosnien- Herzegowina zurückgekehrt, dreimal soviel wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Zahl der noch in Deutschland lebenden Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien ist damit auf 200.000 gesunken, 150.000 von ihnen kommen aus der serbisch dominierten Republika Srpska.

Schlee weigerte sich, statistische Voraussagen zu machen, wie viele Flüchtlinge dieses Jahr in ihre Heimat zurückkehren könnten. Der Bosnien-Koordinator wollte auch keine Angaben darüber machen, welche Empfehlung er den Innenministern von Bund und Ländern geben wird. Anfang Mai wird die Innenministerkonferenz erneut über die Zukunft der Flüchtlinge beraten müssen, denn in vielen Ländern laufen Ende April die Duldungsfristen aus. Zumindest für Flüchtlinge aus der bosnisch- kroatischen Förderation gebe es keine Rückkehrhindernisse mehr, erklärte CDU-Mann Schlee, „Probleme gibt es in Hülle und Fülle, aber die Lethargie ist gebrochen“.

Auch in der Republika Srpska, so kündigte Schlee an, hoffe er in den nächsten Monaten auf Wiederaufbauprojekte „in großem Stil“, so daß auch in die serbisch dominierten Kantone allmählich eine Rückkehr möglich sei.

Zur personifizierten Bekräftigung dieser Hoffnung hatte der Bosnien-Koordinator gestern den Minister für Flüchtlinge und Vertriebene der Republika Srpska, Miladin Dragicević, zu einem ersten Deutschland-Besuch eingeladen. Der seit zwei Monaten amtierende Minister wollte bei Flüchtlingsgruppen in Berlin und Stuttgart für eine schrittweise Rückkehr werben und mit seinem Besuch nicht zuletzt bundesdeutschen Politikern und Unternehmen die politische Öffnung der Srpska signalisieren. Die Regierung in Banja Luka sei zur Wiederaufnahme auch muslimischer Flüchtlinge bereit. „Jeder“, kündigte der Flüchtlingsminister gestern vor Betroffenen vollmundig an, bekomme seinen Wohnraum in der alten Heimat wieder zurück. Bisher gibt es jedoch selbst nach Angaben des Ministers in der Srpska erst fünf sogenannte offene Städte, in die eine Rückkehr von nichtserbischen Vertriebenen denkbar ist.

Immerhin, so berichtete Rückkehrkoordinator Schlee, wären kürzlich zu einer offiziellen Runde zur Flüchtlingsproblematik von siebzehn eingeladenen Bürgermeistern ausnahmslos alle erschienen, und alle hätten ihre Bereitschaft zur Aufnahme der Rückkehrer erklärt – nicht zuletzt, weil die EU erst nach dieser Absichtserklärung den Kommunen Fördergelder in Aussicht stellt.

Die EU hat vergangene Woche die Auszahlung von 108 Millionen Ecu für Wiederaufbauprojekte vertraglich zugesichert. Angesichts der zerstörten Infrastruktur und der katastrophalen wirtschaftlichen Lage haben nach Angaben Schlees inzwischen auch Gemeinden im Osten der Republika Srpska, die bisher als entschiedene Verfechter rein serbischer Ortschaften galten, Interesse an Wiederaufbauprogrammen angemeldet. Ohne die weitere Anwesenheit von SFOR-Truppen und ohne den Druck der USA wäre diese politische Öffnung in der Srpska nicht denkbar, betonte Schlee. Was der Bosnien-Beauftragte nicht erwähnte: Die Regierung in Washington hatte die Bundesregierung Ende letzten Jahres unmißverständlich vor einem allzu großen Rückkehrdruck auf die Flüchtlinge gewarnt. Massenabschiebungen aus Deutschland könnten die Konflikte in Bosnien verschärfen und die Lage destabilisieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen