Mit blauem Auge davonkommen

Neue Weisung der Ausländerbehörde: Mißhandelte nichtdeutsche Ehefrauen sind Härtefälle. Noch vor einer Woche wurde abgeschoben  ■ Von Silke Mertins

Neri M. wurde von ihrem Mann krankenhausreif geschlagen. Er kontrollierte die Post, verbot ihr aus dem Haus zu gehen, quälte und maßregelte sie. Nach drei Jahren ließ sich die Phillippinin 1997 von ihrem deutschen Mann scheiden, fand eine Arbeit und versuchte, sich eine eigene Existenz aufzubauen. Vor einer Woche wurde Neri M. aus Hamburg abgeschoben. Als man sie in der Ausländerbehörde festnahm, war ihr Ex-Gatte dabei, der den Hinweis auf ihren Aufenthalt gegeben hatte.

Von der Mißhandlung habe die Behörde nichts gewußt, rechtfertigt Sprecher Norbert Smekal die erzwungene Ausreise. Man hätte sie sonst als Härtefall anerkennen können. Doch seit zwei Tagen sei ohnehin eine neue Weisung in Kraft, so Smekal. Danach werden mißhandelte Frauen grundsätzlich als Härtefälle anerkannt. Als Härte gilt nicht nur Vergewaltigung in der Ehe, Körperverletzung, Zwangsprostitution und Freiheitsberaubung. Auch wenn den Kindern Schaden zugefügt wurde, das Kindeswohl durch eine Abschiebung gefährdet wäre oder im Heimatland die Zwangsabtreibung einer bestehenden Schwangerschaft droht, schützt die Härtefallregelung vor Verlust des Aufenthaltsstatus.

Die Behördenweisung hat damit wörtlich den Antrag der GAL zum „eigenständigen Bleiberecht nichtdeutscher Frauen“übernommen. Kurios, denn noch vor einer Woche hatte der SPD-Abgeordnete Martin Schäfer in der Bürgerschaft getönt: „Für unsere Stadt bringt der Antrag nichts Neues.“Hamburg verfahre bereits nach diesen Kriterien. Das Begehren der GAL wurde in die Ausschüsse verwiesen. Nun wurde der Antrag ohne große Umschweife behördlich umgesetzt.

Begründet hatte die GAL-Frauenpolitikerin Heide Simon ihren Antrag damit, daß der Begriff „außergewöhnliche Härte“zu „schwammig“sei. Klare Kriterien müßten die „Härte“näher umschreiben. Denn Schicksale wie das der Phillippinin Neri M. „sind kein Einzelfall“, weiß Simon. Immer wieder komme es vor, daß von ihren Ehemännern mißhandelte ausländische Frauen ihren Aufenthalt verlören und gegen ihren Willen in ihr Herkunftsland gebracht würden.

Viele dieser Frauen sähen sich deshalb aus Angst vor Ausweisung gezwungen, aus dem Frauenhaus zu ihren gewaltätigen Männern zurückzugehen. „Eine Wahl zwischen Pest und Cholera“, so Simon. „Soll sie weiterhin die Gewalt durch den Ehemann ertragen oder lieber die Ausweisung durch die Behörden riskieren?“Bundesgesetzlich neu geregelt wurde Gewalt in der binationalen Ehe bereits zum 1. Januar 1997. Eine genaue Definition der „Härte“oblag bis zu dieser Weisung jedoch der Einschätzung und Willkür einzelner Mitarbeiter der Ausländerbehörde. Die überraschte GALierin Heide Simon ist über die „schnelle Reaktion, Einsicht und Besonnenheit der Behörde“schlicht „begeistert“.