"Jetzt ein Feuer legen, das lichterloh brennt"

■ In Berlin gibt es trotz der desolaten Kassenlage immer noch keine mit der Finanzpolitik abgestimmte Wirtschaftspolitik, kritisiert Bauunternehmer Klaus Groth. Er warnt vor der Verschleuderung

taz: Sie sind ein erfolgreicher Unternehmer. Wird das Unternehmen Berlin gut gemanagt?

Klaus Groth: Die Leute, die Berlin zu managen haben, sind nicht schlecht. Dieses Unternehmen zu managen in der Verfassung, in der Demokratie, die wir haben, das ist ja nicht ganz einfach. Unternehmensführung ist immer dann gut, wenn es jemanden gibt, der auch wirklich in der Lage ist zu entscheiden. Wenn Sie diese Entscheidung nicht umsetzen können, weil Sie ständig Kompromisse machen müssen, dann ist die notwendige Umsteuerung nicht zu erreichen. Die Stadt hat damit viel Zeit verloren.

Welche Problemfelder sehen Sie denn? Wo muß deutlich mehr gemacht werden in dieser Stadt?

Wir dürfen nicht nur sparen, sondern wir müssen das Sparen und Konsolidieren verbinden mit einer Zukunftsperspektive. Sie werden ein Unternehmen nicht dadurch konsolidieren und sanieren können, indem Sie nur die Ausgabenseite kürzen. Das hat noch nie funktioniert. Zugleich müssen Sie die Einnahmeseite stärken. Und dazu braucht man Mut, Zuversicht und Vertrauen. Wenn ich überall nur kürze, gar nichts mehr wage und glaube, meine Steuerquote nicht erhöhen zu können, dann bin ich auf dem falschen Weg.

Mit welchen Pfunden könnte denn Berlin wuchern?

Die Stadt verfügt über ein großes Vermögen, es gibt keine Stadt in der Republik mit den gleichwertigen Vermögensbeständen. Diese müssen wir aktivieren; hierzu gehören die Liegenschaften genauso wie die Beteiligungen und Anstalten. Für den gehobenen Eigentumswohnungsbau benötigen wir dringend die vorhandenen Flächen im Innenstadtbereich, zum Beispiel an den Ufern der Kanäle und Flüsse. Die vorhandene Nachfrage von Institutionen, Verbänden und Unternehmen – zum Beispiel debis, Sony, Sat.1, den Spitzenverbänden – können wir kaum befriedigen. Der Senat muß die Grundstücke ausweisen und die Infrastruktur schaffen.

Die Stadt ist führend in ganz bestimmten Segmenten der Industrie und der Technologie, zum Beispiel der Medizintechnik, der Biotechnik und der Verkehrstechnik. Hier müssen wir internationalen Konzernen geeignete Grundstücksflächen zum Nulltarif anbieten, um eine Ansiedlung und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu erreichen. Zugleich erhöht sich hierdurch die Steuerquote. Hinzu kommen gutverdiendende Mitarbeiter, die die Kaufkraft in der Stadt stärken.

Sie kritisieren, daß die Finanzsenatorin Fugmann-Heesing zwar Finanzpolitik macht, aber keine Wirtschaftspolitik?

Ich kritisiere, daß es in Berlin keine mit der Finanzpolitik abgestimmte Wirtschaftspolitik gibt. Die Berliner Finanzpolitik führt zu einer Kürzung der Ausgaben, aber nicht zu einer wirklich langfristigen Konsolidierung des Haushalts.

Aber macht sie denn nicht Wirtschaftspolitik, weil es ansonsten keiner im Senat macht?

Sicher. Grundsätzlich ist Grundstückspolitik Wirtschaftspolitik, aber in Berlin wird mit den Grundstücken keine richtige Wirtschaftspolitik betrieben.

Aber was ist denn der Liegenschaftsfonds, der jetzt beschlossen werden soll?

Der Liegenschaftsfonds ist doch noch gar nicht da. Das ist doch unser Problem. Bis heute ist der Streit, welche Flächen freigegeben werden, nicht abgeschlossen, weil der eine Senator verbilligte Grundstücke an den Markt bringen und die Finanzsenatorin ihre eigenen Grundstücke zu höchsten Werten an den Mann bringen will – zu Preisen, die trotz der Flaute über den Marktwerten liegen. Das hat nichts mit Wirtschaftsförderung zu tun.

Wenn Berlin zu spät dran ist, dann liegt das an dem vorherigen Finanzsenator Pieroth, der jetzt Wirtschaftssenator ist.

Es ist mir egal, wer welche Fehler gemacht hat. Natürlich hätten die Weichen früher gestellt werden müssen. Das ist nicht gemacht worden, und Frau Fugmann-Heesing kriegt es jetzt ins Kreuz. Sie muß jetzt den härtesten Sparkurs fahren, weil wir in vielen Bereichen zuviel ausgeben. Aber man darf auch nicht verkennen, in welcher Situation wir uns bis 1989 befunden haben. Die öffentliche Hand war doch die Beschäftigungsmaschine der Stadt. Aber heute geht das nicht mehr. Und die Strukturveränderungen gehen zu langsam.

Was in der Vergangenheit versäumt wurde, läßt sich heute kaum noch nachholen. Aber ich muß aus der Situation jetzt das Beste machen und die Kräfte bündeln. Die Krise ist eine Chance, und die Chance muß jetzt ergriffen werden.

Das aber trauen Sie öffentlich nicht der Finanzverwaltung zu.

Es gibt einen Senat, der die Verantwortung hat. Die Finanzsenatorin ist doch nicht der liebe Gott in dieser Stadt und entscheidet alleine. Sie braucht Unterstützung von allen Seiten. Klar ist, daß die Stadt Berlin Probleme hat, mit diesen neuen Wettbewerbsherausforderungen fertig zu werden.

Deshalb sagen Sie, Finger weg von einer landeseigenen Gesellschaft zur Grundstücksverwertung?

Nein. Vom Modell her kann es gelingen. Wenn das Land Berlin eine landeseigene Gesellschaft machen will, dann kann es das tun. Nur darf diese Gesellschaft dann nicht allein öffentlich-rechtlich strukturiert sein. Hier müssen die besten Profis, die es weltweit in diesem Feld gibt, arbeiten. Daneben müssen Leute aus den Bezirken und der Finanzbehörde mitarbeiten, die diese Liegenschaften bereits kennen.

Für Sie ist das trotzdem die zweitbeste Lösung?

Also, ich bin Realist. Ich halte eine rein private Lösung für besser, weiß aber, daß diese politisch nicht umsetzbar ist. Außerdem würde bei einer privaten Gesellschaft in dem Moment, wenn die Grundstücke übertragen werden, sofort die Grunderwerbssteuer fällig. Das sind hohe Summen. Zweitens müßte Berlin die Transparenz in der Abwicklung und Durchführung einer solchen Maßnahme sicherstellen, damit Sie nie in den Verdacht kommen, da zocken irgendwelche Leute ab. Das klappt nicht. Und deswegen ist die landeseigene Gesellschaft mit einem privat orientierten Management und privatrechtlichen Strukturen für mich die richtige Lösung. Es muß eine Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung geben, es muß ein Budget geben dafür, es muß die Kostenstellenrechnung geben. Ein solches Unternehmen darf nicht wie in der öffentlichen Hand nach Kameralistik arbeiten, wo es egal ist, ob die Zinsuhr tickt und dieses oder übernächstes Jahr verkauft wird. Nötig ist der Verwertungsdruck durch eine Planungsrechnung, in der steht, wieviel Milliarden Mark in jedem Jahr realisiert werden müssen.

Sind denn diese Erlöse im Bereich von über 10 Milliarden Mark in den nächsten drei Jahren zu realisieren?

Zuerst muß über das Volumen Klarheit hergestellt werden. Erst war von 64 Millionen Quadratmeter Fläche und einem Verkaufserlös von fast 40 Milliarden Mark die Rede, jetzt sollen es nur 12 bis 14 Millionen Quadratmeter mit maximal 10 Milliarden Mark sein. Bezogen auf die erste Größenordnung, habe ich gesagt, diese Riesensummen sind nicht zu erreichen.

Mein Modell wäre: die Schaffung einer Holding als Führungsinstrumentarium. Für einzelne gleichartige Grundstücksgruppen werden Arbeitsgruppen gebildet. Erstens gibt es die Gruppe mit etlichen tausend Grundstücken in Erbbaurecht, die relativ schnell zu verkaufen sind. Ich bin sicher, daß die überwiegende Zahl aller Erbbaurechtsnehmer zum Kauf bereit sind. Zweitens sind da die Topgrundstücke in bester Lage, die sofort verwertbar sind. In diesem Marktsegment gibt es auch keinen Preisverfall. Dann gibt es eine Gruppe von leicht verwertbaren Grundstücken. Als letztes kommen die Grundstücke, die langfristig entwickelt werden müssen.

Die Holding ist privatrechtlich gestaltet und privatwirtschaftlich orientiert. Sie wird von einem politisch kompetenten Gremium begleitet, um schnelle Entscheidungen sicherzustellen. In vielen Fällen haben der Wirtschaftssenator, der Entwicklungssenator, der Bausenator und die Finanzsenatorin mitzuwirken. Erforderlich ist also Kooperation und Gesprächsbereitschaft sowie der Wille zur gemeinsamen Entscheidung. Besonders zu behandeln sind die Bestandsobjekte unter dem Stichwort „Flächen- und Gebäuderecycling“. Auch dies muß privatwirtschaftlich organisiert werden.

Soll man jetzt möglichst wenig Grundstücke verkaufen, weil die Zeiten wieder besser werden?

Ja. Die Veräußerungen der Erbbaugrundstücke führt zu schnellen Erfolgen, das gleiche gilt für die Topgrundstücke. Bei anderen Vermögenswerten ist es wie bei einer Braut: Sie sollten vor der Hochzeit geschmückt werden; hier kann also sehr wohl mehr Zeit auch viel mehr Geld bedeuten.

Nun ist der Brautvater aber vielleicht so pleite, daß er die Braut dennoch verkaufen muß.

Das kann es geben, aber solange die Stadt noch eine andere Alternative hat, sollte sie diese Vermögenswerte jetzt nicht verkaufen. Mein Vorschlag ist, daß man sich im Senat verständigt, welche Vermögensteile man verkaufen will, und diese dann in eine Parkposition bringt. Dort müssen diese Vermögenswerte professionell marktfähig gemacht werden, damit ich eben nicht nur 10 Milliarden Mark dafür erlösen kann, sondern 20 Milliarden Mark. Bei einer solchen Konstruktion bekommt das Land sofort Geld in die Kasse, aber trennt sich nicht sofort von den Vermögenswerten. Natürlich will derjenige, der die Objekte dann aufbessert, auch etwas verdienen. Aber das ist keine unübliche Konstruktion. Auch Finanzminister Waigel geht so vor bei der Verwertung der Grundstücke der Bahn. Das ist mein Vorschlag, um die Grundstücke nicht zu einem geringeren Preis abgeben zu müssen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, man verkaufe, weil gerade wieder ein Loch gestopft werden muß.

Sie reden ja doch wie der Wirtschaftssenator. Warum wollten Sie den Job eigentlich nicht?

Ich bin ein Mittelständler, kein Politiker.

Aber Sie waren für den Posten im Gespräch. Hat die CDU Sie gefragt?

Nein. Nur die Medien haben mich gefragt.

Warum wird die Große Koalition so schlecht bewertet?

Die Große Koalition leistet gute Arbeit. Aber sie kann das schlecht vermitteln. Die Koalition hat unglaubliche strukturelle Veränderungen durchzustehen. Und das bei knappem Geld. Der Abbau der Berlin-Förderung war zu schnell und absolut unvertretbar. Diese strukturellen Veränderungen und Einkommensverluste in Berlin gibt es in keiner anderen deutschen Stadt. Die Koalition ist mit vielen notwendigen Änderungen beschäftigt, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Deswegen ist die Stimmung nicht in Ordnung. Die Berliner müssen deutlich sehen können, daß etwas passiert. Jetzt geht es um die Frage, wie wir ein Feuer legen können, das lichterloh brennt, damit alle sehen, daß etwas passiert. Aber die Stadt verkauft sich noch nicht gut genug. Dabei sind die Perspektiven für Berlin gut. Wir müssen mehr für die Qualifizierung tun, denn fünfzig Prozent der Arbeitsplätze, die durch Umzüge von Organisationen und Unternehmen entstehen, werden hier vor Ort besetzt.

Eine gewaltige Aufgabe: die Probleme lösen und gleichzeitig dieses Feuer zu entfachen.

Das ist eine außergewöhnliche Situation und dafür brauchen Sie ein Krisenmanagement mit außergewöhnlichen Entscheidungen.

Interview: Barbara Junge

und Gerd Nowakowski