Exquisit, aber kurz vor dem Exitus

■ Die Königliche Porzellan Manufaktur trennen noch vier Wochen vom Konkurs, meint die IG Chemie. Wirtschaftsstaatssekretär Ernst sucht Immobilienentwickler. 30 Millionen Mark fehlen

Der kleine Osterhase aus Porzellan kostet 130 Mark. Die Aufschnittschale daneben ist mit 210 Mark ausgezeichnet. Auch das Tee-Service „Rocaille“ für sechs Personen trägt mit 5.400 Mark einen stolzen Preis. In der Wegelystraße am S-Bahnhof Tiergarten bietet die 1763 gegründete Königliche Porzellan Manufaktur ein exquisites und traditionsreiches Angebot feil.

Zu exquisit: In den 90er Jahren lahmt der Porzellanabsatz, weil Importprodukte oft billiger sind. Auch andere Renommierbetriebe wie etwa Hutschenreuther kamen in Bedrängis, doch die Berliner Manufaktur steht jetzt kurz vor dem Exitus. Nachdem in den vergangenen Jahren jährliche Verluste in zweistelliger Millionenhöhe anfielen, reichen die Mittel jetzt nur noch für vier Wochen, schätzt SPD-Fraktionsvize Hermann Borghorst, zugleich zweiter Mann der Gewerkschaft IG Chemie. Er meint, auch die Schuldigen zu kennen: „Der Senat muß seine Hausaufgaben machen.“

Staatssekretär Dieter Ernst, der im Auftrag von Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) das zerbrechliche landeseigene Unternehmen zu retten versucht, weist den Vorwurf der Langsamkeit zurück: „Ein sehr komplexes Problem.“ Mit der Landesbank Berlin, der Hausbank der Manufaktur, führe er „ernsthafte Gespräche“. Das Sanierungskonzept, das Senat und Unternehmen grundsätzlich tragen, sieht den Verkauf des Grundstücks für rund 50 Millionen Mark an einen Immobilienentwickler vor, der in schöner Lage am Tiergarten und Spreeufer unter anderem Wohnungen und ein Hotel errichten könnte.

50 Millionen allerdings reichen nicht. Der Geldbedarf für die kostensparende Konzentration der Fertigung in wenigen Hallen, die Entschuldung und Ausweitung des Porzellanexports betragen nach Rechnung der Manufaktur rund 80 Millionen Mark. „Die Finanzierungslücke ist der springende Punkt“, so Ernst. Doch woher sollen die 30 Millionen Mark kommen? Vom Land? Porzellan-Geschäftsführer Harald Gänz trat am vergangenen Freitag zurück, um Druck auf den Senat auszuüben, wird vermutet.

Wird der Vertrag zwischen der Manufaktur und der Landesbank oder einem anderen Investor nicht demnächst unterschriftsreif, will der Senat möglicherweise eine Bürgschaft über den gesamten 80-Millionen-Fehlbetrag übernehmen. Das forderten gestern die IG Chemie und die Beschäftigten bei einer Protestversammlung vor dem Werkstor. Im Falle eines Konkurses gingen der Stadt weitere 240 Arbeitsplätze verloren – und Bürgermeister Diepgen die hübschen Teller und Kännchen, die er seinen Gastgebern bei offiziellen Besuchen zu überreichen pflegt. Hannes Koch