Ganz ohne Werbung geht es auch nicht

Auch „anthroposophische“ Produkte wollen unter die Leute gebracht werden. Eine spezielle Art der Reklame für diese Branche gibt es zwar nicht, doch die Zusammenarbeit von Anthroposophen und Werbeprofis funktioniert nach besonderen Spielregeln  ■ Von Lars Reppesgaard

Ein Anthroposoph ist Bernd Eberle nicht. Aber seine gleichnamige Werbeagentur in Schwäbisch Gmünd betreut sowohl die Vermarktung von Demeter-Naturkostprodukten als auch den Kosmetik-Etat der Weleda, des größten anthroposophisch geführten Unternehmens in Deutschland. Also hilft einer von denen, die der Kulturkritiker Vance Packard schon 1962 als „Die geheimen Verführer“ brandmarkte, einer Firma, die laut Imagebroschüre Kunden und Geschäftspartner „zu einem selbständigen Urteil“ anregen will.

Isabelle von Heymann, PR-Assistentin der Weleda, erklärt: „Werbung hat immer etwas Beschönigendes. Aber ganz ohne geht es nicht, weil wir ein Wirtschaftsunternehmen sind. Deshalb wollen wir wahrheitsgemäßer sein und weniger manipulieren.“ Nach dem eigenen Verständnis hilft der Werbeprofi Eberle also nur, ein selbständiges Urteil zu ermöglichen. „Man muß aus der Marke heraus argumentieren“, sagt er. „Jede Marke hat einen Kern, das ist die Authentizitätsquelle. Die kann auch im anthroposophischen Sinne wahrhaftig sein. Das Wesen der Marke benutzen wir, um es nach außen zu kommunizieren.“

Der Anzeigenetat der Weleda ist verhältnismäßig klein. „Der reine Werbemarkt ist nicht unser Ding“, erklärt Isabelle von Heymann. Schließlich kann man sich auf eine überdurchschnittlich große Stammkundschaft stützen, die zudem noch zum Großteil aus Akademikern besteht, die sich schon aus Prinzip für die kritischeren Konsumenten halten. Also wird mehr Geld in Direktwerbung, etwa die Produktion der Weleda-Nachrichten, gesteckt. Die Firma schickt das kostenlose Magazin vierteljährlich an 450.000 Interessierte.

So läßt sich die Stärke der Produkte am besten ausspielen, sagt Eberle: „Weleda hat Vorteile: bessere Rohstoffe, gute Verarbeitung, der partnerschaftliche Aufbau der Firma. Und deshalb kauft man Weleda nicht wie andere Leute Suppen, sondern bewußt.“

Anzeigen in den klassischen Frauenzeitschriften wie Brigitte, Amica oder Für Sie sind deshalb vor allem Erinnerungs- und Bestätigungswerbung, und bei dieser Form von Marketing kommen die gängigen Weisheiten der Werbebranche noch am ehesten zum Tragen. Natürlich ist die Packung der Rasiercreme blau, während die Sonnencreme in rötliches Orange gepackt ist. Denn die eine muß auch für Anthroposophen irgendwie frisch wirken und die andere selbst an kalten Tagen knallige Sonne in Erinnerung rufen. Dabei setzt die Firma im Gegensatz zur Konkurrenz aber nicht auf grelle Kolorierung. Getreu dem Anspruch, auch das Wesen einer Farbe darzustellen, sind die Töne auf den Packungen fein abgestuft.

Und daran, wie innerhalb der Firma gearbeitet wird, ändern winzige optische Kompromisse erst recht nichts. Der enge Kontakt zu seiner Auftraggeberin hat statt dessen bei Eberle selbst zu einem schleichenden Wertewandel geführt. „Mittlerweile ist da eine gewisse Affinität für die Ideen hinter dem Unternehmen gewachsen“, räumt er ein.

Bedingung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit anthroposophischen Unternehmen ist das jedoch nicht. Joachim Dreisbach von „Werbung etc.“ aus Stuttgart betreut den Anthroposophischen Initiativen-Kalender der Stadt, die dort ansässigen Waldorfschulen und den Medizin-Etat der Weleda. „Einige Ansichten von denen kann ich absolut nicht nachvollziehen. Aber man ist Profi und sucht für jeden Kunden die beste Lösung“, sagt er. Nein, die einfachsten Kunden seien die Anthroposophen nicht. „Man kann nicht so kreativ sein, denn die Vorgaben bei der Schrift und den Farben sind doch erheblich.“ Ein Problem hat Dreisbach damit jedoch nicht. Daß der Auftraggeber eigene, für Werbeprofis oft völlig unbrauchbare Vorstellungen mitbringt, gehört zum Geschäft. Über die früher obligatorischen, absolut unvermarktbaren blassen Farbtöne muß er jedenfalls schon lange nicht mehr die Stirn in Sorgenfalten legen.

Die Szene denkt um. Die bunten Ständer in Apotheken und Reformhäusern fallen auf und erst recht die Zeitschriften-Anzeigen der Weleda. Auch Wala, der größte Konkurrent bei ganzheitlich-anthroposophischen Therapeutika, arbeitet am Umbau des Erscheinungsbildes. Bernd Eberle glaubt, daß sich solche Marken auch ohne schrille Werbung weiterhin behaupten werden: „Jede Firma, die eine bestimmte Vision hat, ist im Vorteil. Bei Nike ist es die Idee, daß jeder Großes vollbringen kann. Da kommt kein anderer Sportschuhhersteller mit. Und bei den anthroposophischen Unternehmen ist es der Gedanke, daß man nicht irgendwelche, sondern menschengemäße Produkte herstellt.“

Die ehrlichere Variante der multimedialen Marktschreierei entspricht einem Trend: Immer mehr Agenturen versuchen, produktorientiert zu überzeugen, statt der Ware irgendwelche Vorzüge anzudichten – eine Reaktion auf den grellen Dauerbeschuß, von dem sich die meisten Verbraucher mittlerweile mehr gestört als inspiriert fühlen. Der Erfolg gibt der Weleda recht, wie auch Harald Küntzer aus der Brigitte-Anzeigenabteilung anerkennt. Aufmachung und Inhalte seien „nah an dem, was das Produkt vermittelt zu sein. Deshalb funktioniert es.“ Eine Brigitte-Studie bescheinigt der Weleda-Werbung seit Jahren einen stetig steigenden Sympathie- und Bekanntheitsgrad. Für Bernd Eberle ist das der Beweis dafür, daß der Spagat zwischen Reklame und Anthroposophie gut funktioniert: „Rudolf Steiner hat ja nicht gesagt, daß die Marktwirtschaft falsch ist, sondern daß man innerhalb eines Systems den optimalen Weg gehen soll. Und dazu gehört heute die Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Ich denke, auch Steiner würde heute mehr Werbung machen.“