Nebel um Eurobank

Franzosen pokern und wollen Duisenberg als kommenden obersten Währungshüter weiterhin nicht bestätigen  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Die französische Regierung hat sofort dementiert, daß es eine Einigung auf den Niederländer Wim Duisenberg als ersten Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) gebe. Die Süddeutsche Zeitung hatte berichtet, daß Helmut Kohl den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac am Rande des Asem-Gipfels am 3. April in London dazu gebracht habe, sein Veto gegen Duisenberg aufzugeben. Paris halte nicht mehr an seinem eigenen Kandidaten, dem derzeitigen Chef der französischen Nationalbank, Jean-Claude Trichet, fest.

„Beide Seiten haben recht“, meinte ein hoher Regierungsbeamter aus einem kleineren EU- Land gegenüber der taz. Daß Duisenberg EZB-Präsident werde, stehe so gut wie fest. Eine formelle Einigung aber könne es gar nicht geben, weil dafür alle EU-Länder gefragt werden müßten.

Die Auseinandersetzung um den EZB-Präsidenten ist deshalb so skurril, weil 14 der 15 EU-Länder seit langem auf Duisenberg setzen. Als sie den Holländer vor einem Jahr zum Chef des Europäischen Währungsinstituts in Frankfurt wählten, gingen alle davon aus, daß er ab 1. Juli 1998 auch die EU- Zentralbank leiten wird, die aus dem Währungsinstitut hervorgehen soll. Doch dann stellte sich Paris quer und brachte Trichet ins Spiel. Da die Entscheidung einstimmig fallen muß, war klar, daß entweder Paris oder die 14 anderen nachgeben müssen. Seitdem haben sich vor allem die Niederländer und die Deutschen unmißverständlich auf Duisenberg festgelegt.

Zwar gilt auch Trichet als harter Monetarist, dem die stabilitätspolitischen Vorstellungen der Bundesbank näher sind als die der französischen Regierung. Aber zum einen wollten die Niederländer nicht schon wieder klein beigeben. Zum anderen fürchtete Kohl, ein französischer EZB-Chef könne die deutschen Ängste vor einem weichen Euro schüren. Und in beiden Ländern ist Wahlkampf. Die französische Regierung hatte das offensichtlich unterschätzt. Die Frage war also nur noch, wie man Paris helfen könnte, Duisenberg zu akzeptieren und trotzdem das Gesicht zu wahren. Denn Paris kämpft zu Hause gegen das Problem, daß die ganze Währungsunion bisher fast ausschließlich nach deutschem Muster gestrickt ist und die Bevölkerung um den französischen Einfluß fürchtet. Am letzen Wochenende in London hat Helmut Kohl dem französischen Präsidenten offensichtlich einige Zugeständnisse gemacht, die von den anderen EU-Ländern aber noch bestätigt werden müssen. Denn Paris erwartet, daß der Chef der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) erneut ein Franzose sein müsse. Die EBRD, die im Auftrag der EU-Länder zinsgünstige Kredite für die Wirtschaftsreformen in Mittel- und Osteuropa vergibt, wurde bisher immer von Franzosen geleitet.

Die Macht über die Vergabe milliardenschwerer Kredite bedeutet nicht nur Prestige, sondern auch Einfluß auf die gesamte Osteuropapolitik der EU. Hinter vorgehaltener Hand wird in Regierungskreisen längst darüber geredet, daß Frankreich auch den Nachfolger von Duisenberg stellen könnte. In diesem Zusammenhang wird über eine Verkürzung der achtjährigen Amtszeit Duisenbergs spekuliert. Das kann allerdings nicht formell beschlossen werden, weil es dem Maastrichter Vertrag widersprechen würde. Aber der Holländer könne ja vorzeitig zurücktreten, heißt es, wenn er sich in vier Jahren mit 67 zu alt fühle.

Kohl wird wohl vor seinem Gespräch mit Chirac bei den anderen EU-Regierungen sondiert haben. Die Bereitschaft in den Hauptstädten, Frankreich entgegenzukommen, scheint groß. Denn bis zum ersten Maiwochenende bleibt nur noch wenig Zeit. Dann fällt der Beschluß über die Euroteilnehmer. Ein Start der Währungsunion ohne EZB-Chef wäre ein „schlimmes Signal“, heißt es aus dem deutschen Finanzministerium.