„Früher waren die Sitten rauher“

■ Theodor Ebert, Professor für Friedensforschung am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, geht immer noch beim Ostermarsch mit

taz: Wie lange sind Sie schon bei den Ostermärschen dabei?

Theodor Ebert: Ich habe 1962 zum ersten Mal an dem Marsch von Stuttgart nach Göppingen teilgenommen und habe dort eine Rede gehalten, die insofern spannend war, weil während der Rede vom Lautsprecherwagen her der Saft abgedreht wurde, als ich anfing, die russischen Atombombenversuche zu kritisieren. So rauh waren damals die Sitten. Auf der anderen Seite wurde im folgenden Jahr, als ich auch wieder dabei war, 54 britischen Atomwaffengegnern in Düsseldorf das Betreten deutschen Bodens verweigert. Es sei eine Einmischung in innere Angelegenheiten, wenn sie gegen Atomwaffen demonstrieren wollten.

Wem gehörte nun eigentlich der Ostermarsch? Der DKP oder den Pazifisten?

Er ist von Pazifisten gestartet worden. Hans Conrad Tempel war Quäker und ein entschiedener Befürworter der gewaltfreien Aktion wie auch seine Frau Helga, die beide heute noch tätig sind. Das heißt, es gibt eine sehr starke Kontinuität des pazifistischen Engagements. Auf der anderen Seite war es so: Die KPD war verboten und sie sah im Ostermarsch die einzige Möglichkeit, nun doch Einfluß zu gewinnen, insofern gab es eben ständig Auseinandersetzungen zwischen den Pazifisten im Ostermarsch und den Kommunisten, die nur die Atomwaffen im Westen ablehnten, aber Kritik an den Atomwaffen im Osten nicht duldeten.

Sie werden in diesem Jahr wieder reden. Wie unterscheidet sich das, was Sie heute sagen von damals?

Anfang der sechziger Jahre stießen wir auf eine sehr massive Ablehnung der Regierungen, heute können wir an einen potentiellen Bundeskanzler appellieren, den Schießplatz in Wittstock nicht in Gebrauch zu nehmen, und wir können hoffen, daß eine pazifistische Partei im Bundestag sich für den Friedensdienst als Alternative zum Militär einsetzen wird. Insofern haben die Ideen des Ostermarsches sehr viel an Boden gewonnen.

Aber die Teilnehmerzahl ist in den letzten Jahren ziemlich gesunken...

Nur nach der Zahl können wir nicht gehen. Heute kann man auf jeder SPD-Versammlung und jedem Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen die Ziele der Ostermarschbewegung wirkungsvoller vertreten als noch auf der Straße. Wenn es um bestimmte Standorte geht wie das Bombodrom in der Wittstocker Heide, da muß man vor Ort Widerstand anmelden und sagen: Wir machen weiter, wir lassen uns das nicht gefallen.

Interview: Sibylle Plogstedt