IWF steht auf dem Prüfstand

Die Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Washington steht ganz im Zeichen der Asienkrise. Der interne Streit um die Deregulierung der Finanzmärkte geht weiter  ■ Von Christa Wichterich

Berlin (taz) –Die Finanzkrise in Südostasien hemmt das Wachstum der Weltwirtschaft stärker, als der Internationale Währungsfonds (IWF) bisher eingeschätzt hat. Gestern wurde anläßlich der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank eine neue Prognose für 1998 veröffentlicht. Danach geht der IWF nur noch von einem weltweiten Wachstum von 3,5 Prozent aus, nachdem im vergangenen Oktober noch von 4,25 Prozent die Rede gewesen war.

Die asiatische Krise steht ganz oben auf der Tagesordnung des viertägigen Treffens in Washington. Wie früher schon die Erdöl-, die Schulden- und die Mexiko- Krise hat der IWF auch die aktuelle Finanzkrise genutzt, um seine Macht auszubauen und das neoliberale Marktdogma gegen die asiatischen „Tiger“ durchzusetzen. Selbst Japan beugte sich vergangene Woche der „Empfehlung“ des Fonds und kündigte umfangreiche Steuersenkungen an.

Die Krise hilft auch durchzusetzen, daß die IWF-Finanzmittel um 45 Prozent, 90 Milliarden US-Dollar, aufgestockt werden, was nach Auffassung der US-amerikanischen Umwelt- und Entwicklungsorganisation Friends of the Earth „den Einflußbereich und die Macht des IWF ausweitet wie nie zuvor“. Auch viele US-Abgeordnete hatten ihre Zustimmung anfangs verweigert und dem Fonds eine unklare Aufgabenstellung, unwirksame Anpassungsprogramme und Geheimniskrämerei vorgeworfen.

„Sie reden über Krisenmanagement, nicht aber über die Ursachen“, klagt IWF-Kritikerin Barbara Unmüßig von der Informationsstelle WEED. Erst hätten die Währungshüter Warnzeichen verschlafen, als sie im vergangenen Sommer Thailand und Südkorea für „hervorragende Wirtschaftspolitik“ lobten. Dann hätten sie die wirtschaftlichen Probleme verschärft, indem sie die Schließung indonesischer Banken forderten.

Bislang fehlt ein klarer Beweis, daß das Eingreifen des Fonds das Vertrauen wiederherstellen konnte. Die Investoren sind zögerlich, Börsen- und Devisenkurse nach wie vor im Keller. Laut US- Notenbankchef Alan Greenspan signalisieren Asiens anhaltende finanzielle Turbulenzen „ein ungewöhnlich hohes Maß an Unsicherheit, fast Panik“.

Risse zwischen den Bretton- Woods-Schwestern hatten sich bereits im Herbst vergangenen Jahres gezeigt, als der Chefökonom der Weltbank, Joseph Stiglitz, öffentlich die Rolle des Fonds in Indonesien kritisierte. Anfang Januar stellte er gar den „Washington-Konsens“ in Frage, das jahrzehntelang gültige Dogma, daß Privatisierung, Liberalisierung, Deregulierung und der Kampf gegen Haushaltsdefizit und Inflation allgemeingültiges Heilmittel für IWF- und Weltbank-Patienten seien, auch um den Preis von Arbeitslosigkeit und sozialem Elend.

Ein Knackpunkt ist die Deregulierung der Finanzmärkte. Im Herbst schlug der IWF-Aufsichtsrat eine Satzungsänderung vor, nach der Mitgliedsländer gezwungen werden könnten, Beschränkungen im Kapitalverkehr aufzuheben. Im Gegensatz dazu fordert Stiglitz angesichts der zweifelhaften Rolle internationalen Spekulationskapitals bei der Krise eine stärkere Kontrolle der Finanzströme: „Das Dogma der Liberalisierung ist zu einem Ziel an sich geworden.“ Zudem würde damit durch die Hintertür ein Kernbestandteil des Multilateralen Investitionsabkommens MAI, das aufgrund öffentlicher Kritik und unterschiedlicher Interessen von EU und USA umstritten ist, durchgesetzt.

Kritik an der Strukturanpassungspolitik des Fonds wurde jüngst zumindest teilweise bestätigt, als eine unabhängige Studie der Erweiterten Strukturanpassungsfazilität ESAF, mit der der Fonds die ärmsten Länder auf Liberalisierungskurs trimmt, ein schlechtes Zeugnis ausstellte: Ein Beitrag zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum sei nicht feststellbar, wohl aber zur Verarmung. Die Autoren empfehlen, „das Image des Fonds zu humanisieren und zu entmystifizieren“ – Nichtregierungsorganisationen fordern, daß sich der IWF aus Entwicklungsfinanzierung und struktureller Auflagenpolitik zurückzieht und auf seine Aufgabe, Zahlungsbilanzprobleme auszubügeln und Währungsstabilität zu sichern, beschränkt.