Irisches Friedensabkommen stößt auf radikalen Widerstand

■ Katholische Splittergruppen und ein Teil der Unionisten lehnen Vereinbarung ab. Vermittler warnt vor Gewalt

Dublin (taz) – Für die kommenden Wochen rechne er in Nordirland mit einer Reihe von Gewaltakten, sagte gestern der ehemalige US-Senator George Mitchell, der die Friedensverhandlungen geleitet hatte. Der britische Premierminister Tony Blair stimmte ihm zu: Es gebe Menschen, die das Abkommen, das am Karfreitag zwischen den meisten nordirischen Parteien und den Regierungen in London und Dublin geschlossen worden ist, zunichte machen wollen.

Die ersten meldeten sich gestern zu Wort: Gerry Burns von der Irisch-Republikanischen Sozialistischen Partei (IRSP) sagte, seine Partei werde gemeinsam mit ihrem militärischen Flügel, der INLA, weiterhin für ein vereinigtes Irland kämpfen. Die Sinn-Féin-Absplitterung „Republican Sinn Féin“ warf den ehemaligen Genossen Verrat vor, obwohl sie den Vertrag bisher noch nicht unterzeichnet haben. „Sie haben sich der britischen Regierung ergeben“, sagte Vizepräsident Des Long dennoch. Aber auch auf unionistischer Seite gibt es Kritik am Abkommen. Die Hälfte der zehn Westminster-Abgeordneten haben Unionistenchef David Trimble die Unterstützung entzogen.

Die britische Regierung hat gestern als erste „Friedensdividende“ den Bau einer neuen Universität in West-Belfast angekündigt. Das Projekt soll auf der „Friedenslinie“, dem Wellblechzaun zwischen dem katholischen und dem protestantischen Wohnviertel, errichtet werden. US- Präsident Clinton wird voraussichtlich noch vor der Volksabstimmung über das Abkommen am 22. Mai Nordirland besuchen. Ralf Sotscheck Tagesthema Seite 3