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Kein Geld für die Luft zum Atmen

Deutsche Ärzte attestieren einem jungen Mann Atemnotsattacken, deutsche Behörden verwehren die Behandlung: Warum einem irakischen Folteropfer gerade die lange Dauer seines Leidens zum Nachteil gereicht  ■ Von Vera Gaserow

Berlin (taz) – Seine obere Gesichtshälfte ist deformiert und voller Narben, die Nase ist in Schieflage zertrümmert. Er bekommt keine Luft und beginnt deshalb um so panischer zu atmen. Er bekommt Nasenbluten, leidet an Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Die Leiden des 28jährigen irakischen Asylbewerbers M. im Landkreis Celle sind zigfach ärztlich attestiert.

Seit sieben Jahren, seit ihn irakische Soldaten folterten, leidet der junge Mann unter den unübersehbaren Folgen. Doch die lange Dauer seiner Beschwerden ist sein Pech. Weil nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur akute Erkrankungen von Flüchtlingen behandelt werden sollen, nicht aber andauernde Leiden, verweigert ihm der Landkreis Celle die von Ärzten bereits per Krankenhauseinweisung angeratene Nasenoperation.

Auch das Verwaltungsgericht Lüneburg hat jetzt die Kostenübernahme für einen solchen medizinischen Eingriff abgelehnt. Keine oder nur schwer Luft zu bekommen sei kein akuter Schmerzzustand, beschied das Gericht. Der Umstand, daß M. schließlich „schon seit 1991 mit dieser Verletzung lebt“ spräche dafür, daß „kein unaufschiebbarer Behandlungsbedarf besteht“. Nur bei einem „unvermittelt, schnell und heftig verlaufenden Krankeitszustand“ könnten Asylbewerber mit medizinischer Hilfe rechnen.

Daß M.s Verletzungen unbestreitbar durch Gewaltanwendung hervorgerufen wurden, die ihm nach seinen eigenen Versicherungen durch Sadam Husseins Soldaten als Strafe für seine Kriegsdienstverweigerung beigebracht wurden, spielt für die Richter keine Rolle: „Auf die Frage, wodurch die Verletzungen entstanden sind, kommt es nicht an“, urteilten die Richter, die Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes träfen „keine Ausnahmeregelung für Verletzungen, die aus Folterungen stammen“. Als „verfassungsrechtlich unerträglich“ beurteilt M.s Rechtsanwalt Fred Hullerum diese Hilfeverweigerung für seinen Mandanten, der seit einiger Zeit auf der Warteliste des Berliner Behandlungszentrums für Folteropfer steht.

Zynische Konsequenz des Asylbewerberleistungsgesetzes, auf die auch das Lüneburger Verwaltungsgericht verweist: Derzeit hat M. schon zu lange gelitten, um akut behandlungsbedürftig zu sein. Nur wenn er die Beschwerden weiter erträgt, kann er auf Linderung hoffen – allerdings frühestens im Juni des Jahres 2000. Erst dann ist die 36monatige Aufenthaltsfrist abgelaufen, nach der M. – wie Tausende andere Asylbewerber auch – unter das Asylbewerberleistungsgesetz fällt.

Die Dreijahresfrist war erst durch eine Verschärfung im Jahr 1997 im Gesetz verankert worden. Zuvor mußten Asylsuchende nur im ersten Jahr ihres Aufenthaltes mit sozialen Kürzungen und medizinischer Minimalversorgung leben. Zur Zeit wird in Bonn eine erneute Verschärfung des Gesetzes beraten.

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