Kunden ohne Rechtssicherheit

Die Bundesregierung verhindert verbindliche Regeln für doppelte Preisauszeichnung in Mark und Euro. Auch der kostenlose Umtausch ist nicht garantiert  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Die Banken und die Handelsverbände haben sich gegen die Verbraucherorganisationen durchgesetzt. Für die Umstellung zum Euro wird es keine rechtlich bindenden Vorschriften geben, die den Gratisumtausch bei den Banken und die doppelte Preisauszeichnung in den Geschäften regeln. Die EU-Kommission in Brüssel legte gestern lediglich Empfehlungen für freiwillige Selbstverpflichtungen vor, mit denen sich Banken und Handel auf verbraucherfreundliche Lösungen festlegen sollen.

Im Kern geht es zum einen darum, daß der Umtausch etwa von Mark in Euro die Bürger nichts kosten soll. Zum anderen sollen während der Übergangszeit, in der Euro und Mark nebeneinander gelten, die Preise in beiden Währungen ausgezeichnet werden. Denn nur so können sich die Kunden darauf verlassen, daß die Geschäfte die Umstellung der Währung nicht zu heimlichen Preiserhöhungen nutzen. Außerdem ermöglicht die doppelte Preisauszeichnung, daß sich die Käufer an die neuen Preise gewöhnen und einschätzen lernen, was billig und was teuer ist.

Verbraucherorganisationen und Europaparlamentarier fordern seit langem, daß sowohl der Gratisumtausch als auch die doppelte Preisauszeichnung gesetzlich vorgeschrieben werden müßten, und zwar möglichst bereits ab Anfang nächsten Jahres. Doch dagegen liefen die Lobbyisten von Banken und Handel Sturm. Mit dem Argument, das würde enorme Kosten verursachen, lehnen sie jegliche Gesetze ab und bieten statt dessen freiwillige Vereinbarungen an. Auf Druck vor allem der Bundesregierung hat die EU-Kommission sich nun auf bloße Empfehlungen beschränkt, wie diese freiwilligen Vereinbarungen aussehen sollen. „Die Einführung des Euro“, sagte EU-Kommissionspräsident Jacques Santer gestern in Brüssel, „darf nicht auf dem Rücken der Verbraucher stattfinden.“ Doch der Widerstand der Banken und Handelsverbände gegen bindende Vorschriften zeigt, daß sie an wirklich umfassenden Regelungen nicht interessiert sind.

Freiwillige Vereinbarungen können nur dann weniger Kosten verursachen, wenn sie weniger strikt sind als Gesetze. Vor allem bieten sie keinerlei Rechtssicherheit. Einzelne Banken oder Geschäfte können sich weigern, ohne ernsthafte Folgen befürchten zu müssen. EU-Kommissar Mario Monti droht zwar, man werde notfalls später doch noch Gesetze beschließen, wenn die freiwilligen Vereinbarungen sich als unwirksam herausstellen sollten. Als Beispiel nannte er die Verordung für grenzüberschreitende Überweisungen, die den Banken verbietet, allzu viele Gebühren zu erheben. Auch hier habe man den Banken erst die Möglichkeit zu einer freiwilligen Selbstverpflichtung gegeben. Weil sie sich aber nicht einigen konnten, habe man dann eine Verordnung beschlossen.

Doch diesmal wird die Zeit für solche eine Änderung zu knapp. Richtlinien oder Verordungen der EU brauchen normalerweise Jahre, bis sich die EU-Mitgliedsländer darauf einigen können. Der Euro wird aber bereits in neun Monaten eingeführt. Die EU-Kommission beruft sich auf das Subsidiaritätsprinzip. Danach könnten die nationalen Regierungen den Gratisumtausch mit eigenen Gesetzen regeln. Einige Länder haben das bereits zum Schutz ihrer Verbraucher angekündigt. Doch die Bundesregierung will solche Gesetze nicht. Banken und Handel sollen mit möglichst wenig Vorschriften belastet werden. Deshalb hat Bonn ja auch in Brüssel jede gemeinsame Regelung verhindert.