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Der Sound des Bundesanwalts

■ Die Buback Tonträger von Alexander Dumbsky haben sich zu einem Musiklabel mit breit gefächertem Programm entwickelt

In der Kampstraße hält die Zeit in Höhe der Vespa-Kultur der 50er Jahre an, wenn in dem gekachelten Laden von Walter Jonas ein Wurstmacher Glutamat und Mägen kauft. Gegenüber hat seit Anfang des Jahres Alexander Dumbsky, der unter wechselnden Namen wechselnde Rollen in jugendkulturellen Zusammenhängen spielt, ein Büro hinter einer schweren Feuertür, aber mit großem Fenster zum Metzger.

Damals, mit den Goldenen Zitronen, versuchte Dumbsky, dem der Band hartnäckig anhaftenden Fun-Punk-Image den Garaus zu machen. „Wir haben versucht, die Fun-Punker umzukrempeln, zu politisieren, und so quasi gegen einen Teil unseres eigenen Publikums angespielt“, resümiert der 28jährige in seiner WG-Küche die Mißverständnisse der guten alten Punk-Ära. Damals nannte sich der Schlagzeuger Ale Sexfeind, ein Name, der bis heute an ihm klebt.

Als es um die Goldenen Zitronen ruhiger wurde, sah sich Dumbsky alias Sexfeind nach neuen Betätigungsfeldern um. „Weil ich einen geringen Lebensstandard habe, blieb ein bißchen Zitronen-Geld hängen.“ Als Angeschissen, eine befreundete Punkrock-Formation, eine Platte aufnahmen, brachte Dumbsky sie eigenhändig heraus. So entstand 1988 das Label Buback Tonträger, benannt nach dem von der RAF erschossenen ehemaligen Generalbundesanwalt. Zu den alten Punk-Kameraden kam die neue Vorliebe von Dumbsky: HipHop. Wie so viele hatte auch Dumbsky den ersten Schub um Leute wie Grandmaster Flash zwar wahrgenommen, regelrecht „angefixt“ wurde er aber vom ungeschliffenen Sound der Beastie Boys, selbst zum HipHop konvertierte Punkrocker. Ganz überzeugter „Musikarbeiter“, setzte er sich in 17°C, einem Theorie-Fanzine, mit den ideologischen Strudeln schwarzer Musik auseinander. Das schlug sich auch auf den Plattenmacher nieder. Heute gilt Buback Tonträger vor allem als Anlaufstelle für rauhen, konsequent politisch ausgerichteten Hip-Hop wie von No Remorze oder den Absolute Beginners oder Readykill, „deren attitude eher Punk ist“. Die Jams, die Buback veranstaltet, sind Treffpunkte einer recht jungen Szene, die HipHop als Gesamtkunstwerk aus Musik, Breakdance und Grafitti versteht.

„Zum Programm soll dies aber nicht verkommen“, befürchtet Dumbsky weitere Schubladen. „Im HipHop passieren spannende Sachen. Ich mache aber alles, wenn ich den Eindruck habe, daß eine brauchbare Idee dahinter steckt.“ Solche Ideen fand der Labelmacher bei experimentellen Verschrobenheiten wie Tisch 5, beim Soul & Funk mit Bill Ramsey von Naked Navy (siehe taz vom 26. Juli 1995) und einem Dub-Sampler, der das Treiben der Hamburger Dub-Szene um den Sound Navigator auslotet (taz vom 8. Juni 1995). Ein Briefkasten von Sound Navigator hängt auch vor dem Buback-Büro.

Nach dem Prinzip Learning by doing veröffentlicht Buback Tonträger mittlerweile zehn Platten im Jahr, die sich, obwohl sie manchmal quer zu gängigen Hörgewohnheiten stehen, bis zu 4000mal verkaufen. Da dies trotz eines 15-Stunden-Tages zuviel für das Ein-Mann-Unternehmen wurde, „bastelt“ Dumbsky mit Peter James von Rock-City an neuen Veröffentlichungen. Im gemeinsamen Sempex-Musikverlag gab es zuletzt die Rehabilitierung von deutschsprachigem Metall mit Eisenvater (taz vom 29. Juni 1995).

Volker Marquardt

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