Leinwand statt Häuserwand

■ Der Galerist Chris Steinbrecher stellt zehn junge Graffitikünstler in seiner Galerie aus / Einladungen auch an den Innensenator und die Sonderkommission Graffiti

Die Pläne für seine jüngste Ausstellung über Graffiti-Kunst in Bremen stellten den Galeristen Chris Steinbrecher vor ungeahnte Schwierigkeiten. Die zehn Künstler, die ihre Werke ohnehin lieber auf Häuser statt auf Leinwänden sehen, zögerten noch aus einem anderen Grund, in der Galerie auszustellen: Sie hielten Steinbrecher für einen Spitzel der Kripo-Sonderkommission Graffiti, die im Auftrag von Innensenator Ralf H. Borttscheller (CDU) Bremens Sprayer dingfest machen soll.

„Die haben erstmal abgeklopft, wer ich bin“, lacht Steinbrecher.

Die bürgerlichen Namen von Tomek, Funkjux, Chiconè, Elow, Havok, Kenmoe, Tomak, Tucker, Tobe und Soda weiß er deshalb bis heute nicht. „Sicher ist sicher“, zeigt Steinbrecher für die Vorsicht seiner Künstler Verständnis.

Die Soko-Graffiti hat in den vergangenen acht Monaten seit ihrer Gründung immerhin mehr als 700 Ermittlungsvorgänge bearbeitet. Nach vorsichtigen Schätzungen wurden rund 30.000 Quadratmeter öffentlicher Fläche „beschmiert“– wie es in der Bilanz der Soko heißt. Die Reinigungskosten betragen laut Polizeiangaben rund 1,8 Millionen Mark. Die Schäden, die privaten Hauseigentümern entstanden sind, werden doppelt so hoch geschätzt. In der sogenannten „Täterdatei“, die die Soko angelegt hat, stehen mittlerweile rund 250 Namen.

Ob die Künstler, die demnächst in seiner Galerie ausstellen, darunter sind, weiß Steinbrecher nicht. Die jungen Männer „um die 20, plus-minus-null“hätten allerdings für Sprayer, die nichts weiter auf Häuserwänden hinterließen als ihre „tags“„nur Verachtung übrig“, betont der Galerist. „Das sind ernsthafte Künstler, die später Kunst studieren wollen.“

Daß Graffiti Kunst ist, ist für Steinbrecher „gar keine Frage“. Er will seine Ausstellung jedoch mehr als Politikum verstanden wissen. Der Galerist will mit seiner Ausstellung bei den BremerInnen das Auge für Graffiti-Kunst schärfen und öffentliche Flächen für die Künstler einwerben. Bei Bausenator Bernt Schulte (CDU) stieß Steinbrecher allerdings auf taube Ohren. Als das ZDF die Vorbereitungen zur Ausstellung in der vergangenen Woche filmte, war Schulte zu Gast. Die öffentlichen Flächen müßten zahlenden Kunden vorbehalten bleiben, sagte der Senator ungerührt in die Kamera.

Ein „unglaubliches“Statement, empört sich Steinbrecher. „Damit treibt man die Graffiti-Künstler in die Illegalität, und die Polizei muß die Versäumnisse der Politik ausgleichen.“

Die Idee zu der Ausstellung stammte übrigens von Steinbrechers Töchtern Svena (19) und Sarah (17). Sie vermittelten ihrem Vater auch den Kontakt zu den Sprayern. Nachdem die Künstler bei den ersten Treffen, die fast konspirativen Charakter hatten, ihr Mißtrauen abgebaut hatten, mußten sie von Steinbrecher erst davon überzeugt werden, auf Leinen zu sprühen.

„Eine Leinwand ist zu begrenzt“, fürchteten sie. Inzwischen sind die Künstler eifrig dabei, Bilder für die Ausstellung zu sprühen. Schließlich sollen die Wände der Galerie „von oben bis unten“mit ihren Graffitis verhängt werden.

Auch die Einladungskarten sind schon verschickt. Innensenator Ralf H. Borttscheller ist selbstverständlich auch eingeladen. Die Künstler werden sich ebenfalls unter die Gäste mischen. Inkognito versteht sich – wegen der Spitzel.

Kerstin Schneider

„Graffiti“: Eröffnung am 24. April, 20 Uhr, Am Dobben 123. Anschließend Hip-Hop-Party im Moments mit sechs DJ' s. Die Ausstellung läuft bis zum 28. Mai.