Der Traum von Strom aus Luft

■ Brennstoffzellen produzieren Strom aus fossilen Energieträgern ohne Stickoxide oder Schwefeldioxid. Doch noch sind die Öko-Kraftwerke trotz hoher Wirkungsgrade viel zu teuer.

In Joachim Scholtas Traumhaus kommen Strom und Wärme aus einer hauseigenen Brennstoffzelle. Erstmals ist der Physiker während seiner Doktorarbeit mit dieser Technik in Berührung gekommen. „Da das Erdgas vor dem Verbrennungsvorgang entschwefelt wird und aufgrund der ,kalten Verbrennung‘ keine Stickoxide und kein Kohlenmonoxid entstehen, liegen die Schadstoffe um den Faktor 100 niedriger als bei konventionellen Blockheizkraftwerken. Der elektrische Wirkungsgrad liegt zwischen 40 und 60 Prozent“, faßt Scholta die Vorteile von Brennstoffzellen zusammen. Seit seinem Studium hat ihn die „Kalte Verbrennung“, wie die Technik auch genannt wird, nicht mehr losgelassen. Inzwischen arbeitet er am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW).

Brennstoffzellen sind der Schlüssel zum Solarzeitalter. Diese sandwichartig gebauten Energiewandler können aus Wasserstoff und Luftsauerstoff Strom erzeugen. Spätestens dann, wenn die erneuerbaren Energiequellen mehr Energie liefern, als zeitgleich von allen am Stromnetz angeschlossenen Verbrauchern abgenommen werden kann, muß der zusätzliche Sonnen- und Windstrom gespeichert werden. Wird mit dem Strom Wasserstoff hergestellt, kann dieser zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Strom umgewandelt werden – mittels Brennstoffzellen.

Die von Scholta aufgezählten Vorteile sind schon lange bekannt. Bereits 1897 empfahl Wilhelm Ostwald auf der Gründungsversammlung der Bunsengesellschaft diesen hocheffizienten Energiewandler zur ressourcenschonenden Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen. Doch lange Zeit wurden lediglich einzelne Zellen für Weltraumanwendungen produziert – Kosten spielten dabei keine Rolle. „Wichtige Materialprobleme konnten erst in den letzten Jahren gelöst werden“, erklärt Jürgen Garche, Vorstandsmitglied des ZSW, den langen Dornröschenschlaf der Brennstoffzelle. Die Lösungen reiften unter dem Druck potentieller Anwender, beispielsweise der Automobilindustrie. Während vor einigen Jahren noch 30 Milligramm Platin je Quadratzentimeter Elektrodenoberfläche benötigt wurden, waren es bald nur noch 4 Milligramm, und heute kommt man mit 0,4 Milligramm aus. Diese Edelmetallkatalysatoren werden auch in Membranbrennstoffzellen (PEMFC) benötigt, die allerdings auch heute noch zu teuer sind, um mit konventionellen Motoren oder Kraftwerken zu konkurrieren. Ein weiterer Grund für die lange Zeit sehr zurückhaltende Behandlung der Brennstoffzellen ist der Wasserstoff. „Wer hat schon einen Wasserstoffanschluß im Haushalt?“ fragt Garche. Und deshalb lautet eine Hauptaufgabe der Forscher, die Zellen im Zeitalter der fossilen Energien an eben diese zu gewöhnen. Bisher läuft das aber nur über den Schritt der „Reformierung“, wie Fachleute die Umwandlung von Erdgas, Methan, Methanol oder anderen Brennstoffen in Wasserstoff und Kohlendioxid nennen. Garche kann sich sogar Brennstoffzellen vorstellen, die reformiertes Benzin verbrennen: „Allerdings erst in ferner Zukunft.“ Dieser zusätzliche, vorgeschaltete Reformierungsschritt treibt die Kosten jedoch in die Höhe, so daß eine Kilowattstunde heute zwischen 50 Pfennig und einer Mark kostet. Verwendet man statt dessen den teuren photovoltaisch erzeugten Wasserstoff, liegt der Preis über vier Mark, also weitab jeder Konkurrenzfähigkeit. Um den Durchbruch zur Wirtschaftlichkeit zu schaffen, werden vorerst konventionelle Brennstoffe eingesetzt. Um auf den zusätzlichen Schritt verzichten zu können, wird am ZSW an der sogenannten „Direkt Methanol Brennstoffzelle“ geforscht. „Hierbei wird Methanol direkt mit Sauerstoff zu Wasser und Kohlendioxid umgewandelt“, erklärt Scholta.

Daimler Benz entwickelt mit der kanadischen Firma Ballard und der amerikanischen Firma FOED gerade ein Brennstoffzellenfahrzeug auf Basis von reformiertem Methanol als Wasserstoffquelle. Es soll ab dem Jahr 2004 serienmäßig zum Einsatz kommen. Der finanzielle Aufwand beträgt rund eine Milliarde US- Dollar. Unterstützt werden derartige Initiativen der Industrie durch politische Rahmenbedingungen wie den kalifornischen Clean Air Act, der einen ständig wachsenden Anteil von Elektroautos vorschreibt, im Jahr 2003 beispielsweise zehn Prozent. Die gleichen Membran-Brennstoffzellen, die in diesen Autos eingesetzt werden, sind auch für den Hausgebrauch geeignet. Doch während beim Elektrofahrzeug die Brennstoffzelle erst bei Preisen zwischen 50 und 200 Mark je Kilowatt Leistung wirtschaftlich wird, darf die Brennstoffzelle für die Hausversorgung ruhig bis zu 1.000 Mark je Kilowatt kosten. „Eine im Sog der Automobilindustrie durchaus erreichbare Größenordnung“, urteilt Garche.

Die anderen bekannten Brennstoffzellentypen sind für den mobilen Einsatz nicht zu gebrauchen, da sie nur sehr langsam auf ihre Leistung gebracht werden können. Bei den phosphorsauren Mitteltemperaturzellen (PAFC) kann dies zum Beispiel vier Stunden dauern. Für diese Technik kommen aber stationäre Einsatzgebiete in Frage. Bereits heute existieren einige Brennstoffzellen- Großkraftwerke mit Leistungen zwischen 200 und 1.000 Kilowatt. Das größte steht in Japan und hat eine Leistung von 11 Megawatt.

Doch auch in Deutschland unterstützen einige Energieversorgungsunternehmen die neue Technik. Die Darmstädter HEAG betreibt beispielsweise ein PAFC- Kraftwerk der amerikanischen Firma ONSI Corporation. Die 1993 in Betrieb genommene Anlage hat bereits rund 37.000 Betriebsstunden hinter sich und entspricht im großen und ganzen den Erwartungen. „Die Verfügbarkeit betrug bisher über 88 Prozent, die Zuverlässigkeit ist sehr gut, aber die maximale elektrische Anlagenleistung hat inzwischen von 200 Kilowatt auf 100 abgenommen“, beurteilt HEAG-Mitarbeiter Patrick Biehle die Erfahrungen. Insgesamt 10 solcher Kraftwerke werden derzeit in Europa getestet, 86 sind es weltweit.

Inzwischen steigt das öffentliche Interesse an der umweltfreundlichen, da nahezu schadstoffreien Stromerzeugung mit den hohen Wirkungsgraden. Im April 1997 hat sich in Bonn das Deutsche Brennstoffzellenforum gegründet mit dem Ziel, den Informationsaustausch zu fördern. Siemens und MAN kündigen für das Jahr 2000 einen Brennstoffzellen-Bus an, Daimler Benz besitzt bereits einen Prototypen und das ZSW möchte mit einem mit Brennstoffzelle ausgerüsteten Einfamilienhaus an der Expo 2000 teilnehmen. Bewohner? Jürgen Garche schmunzelt. „Da wird sich wohl für einen unserer Mitarbeiter ein Traum erfüllen.“ Anne Kreutzmann

Einen „Reformer“ kann man besichtigen auf der Hannover Messe, Stand des Fraunhofer Instituts (J 04), Halle 18, vom 18.–25. April. Über http://ibm.rhz.unibonn.de gibt es die erste Ausgabe der Fachzeitschrift „Die Brennstoffzelle“.