■ Mit Selbstverpflichtungen auf du und du
: Traue nie dem Markt

Berlin (taz) – Wenn es um umweltverträgliches Wirtschaften geht, entpuppen sich die deutschen Industriekapitäne als Anhänger genau jenes Korporatismus, den sie für das schleppende deutsche Reformtempo verantwortlich machen. In ihren Selbstverpflichtungserklärungen im Umweltschutz scheuen sie die Preismechanismen des Marktes wie Nippeshändler auf dem Basar. Auf diesen Nenner läßt sich eine Studie des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim für das Forum Umwelt und Entwicklung bringen.

Die Selbstverpflichtungserklärungen der Industrie folgen in der Regel einem Muster: Als ökologische Verbesserung der Zukunft wird verkauft, was betriebswirtschaftliche Rechnungen längst diktiert hatten. Einschneidende Innovationen, die bei ökologisch korrigierten Marktpreisen – etwa durch eine Energiesteuer – notwendig würden, werden so verhindert.

Beispiel FCKW: Ein weitreichendes FCKW-Verbot in den USA von 1978, eine sinkende Nachfrage nach FCKW-Spraydosen sowie billige Ersatztreibmittel hätten einen Ausstieg aus FCKV-Verbraucherprodukten ohnehin nahegelegt, heißt es im ZEW-Papier. Im Gegensatz dazu sei der Verzicht auf FCKW in der industriellen Fertigung kaum vorangekommen, weil die Kosten höher waren und auf der Nachfrageseite kein Druck bestand. Das änderte sich erst mit dem Montrealer Protokoll, das die Verwendung von FCKW in den Industrieländern verbot.

Auch die Rücknahmegarantie für Altautos enthält nichts, was der Autoindustrie weh tut. Es gebe seit längerem ein unabhängiges Netz von Entsorgungsfirmen, so die ZEW-Untersuchung. Daß die Rücknahme kostenlos sein soll, sei auch kein Bonbon – schließlich würden die meisten Autobesitzer ihren alten Wagen immer noch für einen niedrigen Preis auf dem Markt losbekommen, wie die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Autorecyclingbetriebe feststellte. Weiterer Haken: Die Garantie gilt nur für Autos, die nicht älter als zwölf Jahre sind. Nach ADAC-Schätzung liegt die typische Lebensdauer eines PKWs aber bei 13,2 Jahren.

Ein weiteres Beispiel ist die angekündigte Einführung des Dreiliterautos. Diese Verbrauchsreduzierung liege aber ohnehin im Trend der technischen Entwicklung, urteilte der Sachverständigenrat für Umweltfragen 1996. Vielmehr ging es darum, höhere Benzinsteuern zu verhindern, die tiefgreifende, aber schmerzhafte Innovationen im Verkehrsbereich nötig machen würden. Das Verkehrswachstum verschlingt ein Großteil der Innovationen, und die Autoindustrie mußte bereits im Dezember zugeben, daß sie ihre Selbstverpflichtung, den CO2-Ausstoß um ein Viertel zu senken bis 2005, nicht einhalten werde.

Bei einer derart korporatistischen Umweltpolitik, die ganz offen auf Selbstverpflichtungen der Industrie setzt, habe der Staat keine Druckmittel, werden die Umweltziele nicht erreicht. „Wir wollen nicht Selbstverpflichtungen gegen staatliche Regulierung ausspielen“, sagt Klaus Rennings vom ZEW, einer der beiden Autoren des Papiers, „es kommt auf die richtige Mischung an.“ Mit einer Strategie aus „Drohung und Kontrolle“ in mehreren Verhandlungsrunden könnte der Staat viel mehr für die Umwelt herausholen, als bisher geschehen ist. Niels Boeing