Auf dem Polaroid-Foto lacht die Mörderin

■ Im Prozeß um die Morde im Drücker-Milieu beruft sich die Hauptangeklagte auf ihre Hörigkeit gegenüber ihrer Chefin. Als es um die Details geht, kommen Zweifel an dieser Darstellung auf

Ellwangen (taz) – Deborah Ott würde am liebsten nichts mehr „mit dieser Sache“ zu tun haben. Deswegen legt die 21 Jahre junge Frau die Hände vors Gesicht, hält sich die Ohren zu. Und weint.

Deborah Ott, ehemalige Zeitschriftenwerberin, soll „grausam und aus Mordlust“ ihren etwa gleichaltrigen Kollegen Thorsten Mumm umgebracht haben, heißt es in der am Mittwoch verlesenen Anklageschrift. Ihren früheren Verlobten und Chef einer anderen Drückerkolonne, Volkmar Granz, soll sie „heimtückisch und aus Habgier“ ermordet haben.

Deborah Ott ist eine kleine Frau mit kurzen Haaren, die scheu um sich blickt, deren Schritte auf dem Weg in den Gerichtssaal seltsam unbestimmt wirken. Diese Frau soll über zweieinhalb Stunden Thorsten Mumm gequält haben, während dieser am 24. Juli 1997 in einem Wald nahe beim rheinischen Olpe sich entkleiden und sein Grab schaufeln mußte. Diese verschüchterte Frau soll den Jungen geknebelt haben, soll ihm mit Messern in den Rücken geschnitten haben, sie soll ihm die Schamhaare abgebrannt und einen heißen Metallsporn in den After gestoßen haben. Sie soll ein Messer in sein Herz gerammt haben und als er sich in seinem selbstgeschaufelten Grab noch mit einem Röcheln bemerkbar machte, soll sie ihm mit dem Spaten den Kopf gespalten haben.

Am 28. September 1997 soll diese junge Frau, deren Stimme bei der Vernehmung durch den Vorsitzenden Richter Klaus Kunath zittert, den beinamputierten Volkmar Granz mit mehreren Schüssen niedergestreckt haben. Und sie soll – um sicherzugehen, daß der Mann tot ist – ihm mit einem Messer die Kehle aufgeschlitzt haben.

Deborah Ott hat ein umfassendes Geständnis abgelegt. Aber ein eigenes Motiv zu morden, das will sie nicht haben. Deborah Ott sagt, Petra Falb sei die Drahtzieherin in den Mordfällen. Die 31jährige Falb war Chefin der Drückerkolonne, in der Deborah Ott arbeitete. Heute sitzt sie bleich und mit dünnen Haaren im Gerichtssaal, gezeichnet von einer HIV-Infektion. Sie verweigert beharrlich die Aussage. Sie soll in der Gruppe über so viel Macht verfügt haben, daß sie nach den Worten von Deborah Ott die Folter und den anschließenden Mord bis ins Detail angeordnet habe. „Wenn sie gesagt hat, ich soll ihn peitschen, dann habe ich ihn ausgepeitscht.“ Und als sie gesagt habe, jetzt sei es genug, da habe sie Thorsten Mumm das Messer ins Herz gestoßen.

Der Richter Kunath möchte wissen, ob sie denn während der zweieinhalb Stunden, in denen sie Thorsten Mumm gefoltert habe, nicht Bedenken bekommen habe. Deborah Ott antwortet. „Ja, schon. Aber was die Frau Falb gesagt hat, das war Gesetz.“ Selbst habe die „Frau Falb“, die in ihrer Kolonne nur Petra hieß, nicht getötet. Ja, bei dem Mord an Granz war sie gar nicht zugegen.

Sie, Deborah Ott, sei in ihre Chefin verliebt gewesen. Zudem habe sie ihr gleichen wollen. Und darüber, daß ihr das wohl mehr und mehr gelungen war, sei sie äußerst stolz gewesen. Deborah Ott wollte so stark und unabhängig sein wie ihre Chefin. Die „Frau Falb“ habe sie darin bestärkt, habe sie mal „Petra zwei“ genannt, und immer wieder habe sie sie aufgefordert, in ihrem Bett zu schlafen. Die Veränderung sei so dramatisch gewesen, sagt Deborah Ott, daß „ich nicht mehr ich selber war“.

Hörigkeit und Liebe, Entfremdung und Druck, nach drei Tagen des Prozesses muß auch von erheblichen Zweifeln an dieser mediengerechten Darstellung die Rede sein. Deborah Ott hat mit ihrer Aussage zu dem Mord an Volkmar Granz diese Zweifel selbst genährt.

Auf der Fahrt von Gummersbach zum Haus von Granz in Aalen habe sie Petra Falb angerufen, weil der – heute Mitangeklagte – Jörg Zesni nicht am verabredeten Treffpunkt erschienen sei. Petra Falb habe ihr dann gesagt, sie solle warten, „morgen fahren wir dann zusammen hin und erledigen das“. Deborah Ott aber bestand darauf, an diesem Tag zu Granz zu fahren, ihn auszurauben und auch zu töten. Granz hätte sie über Monate sexuell ausgebeutet, er habe ihr noch zweitausend Mark geschuldet und sich geweigert zu zahlen, sagt sie. „Ich habe ihn gehaßt.“

Als Deborah Ott – angeblich auf Befehl der Petra Falb – Thorsten Mumm quälte und tötete, da machte die Drückerchefin ein Dutzend Polaroid-Aufnahmen. „Darauf lachen sie ja“, hat der Richter Kunath bemerkt. „Hat ihnen das Spaß gemacht?“ Nein, sagt Deborah Ott. Petra Falb habe ihr auch das Lachen befohlen. Der Richter schüttelt den Kopf und sagt: „Ich versuche, das hier alles zu verstehen. Aber es gelingt mir nicht.“ Hilmar Höhn