Drei Kuckuckseier und viele kleine Erfolge

Die Grünen in Sachsen-Anhalt kämpfen tapfer gegen den Untergang. Sie drohen bei der Landtagswahl an der Fünfprozenthürde zu scheitern – trotz einer ordentlichen Bilanz nach vier Jahren in der Regierung  ■ Von Toralf Staud

Heidrun Heidecke braucht nicht lange zu überlegen. Auf die Fragen, ob sie mit der Bilanz nach vier Jahren am rot- grünen Kabinettstisch zufrieden ist, antwortet die sachsen-anhaltinische Umweltministerin mit einem klaren Ja. „Wo wir uns bei den Koalitionsverhandlungen Kuckuckseier ins Nest gelegt haben, waren das bundespolitische Themen.“ Ließe man diese Pleiten außer acht, habe man sehr viel geschafft – sehr viele kleine Erfolge.

Doch gerade die „Kuckuckseier“ beherrschen die öffentliche Wahrnehmung der grünen Regierungsbilanz. Das Atommüllendlager Morsleben, das noch immer nicht stillgelegt ist, und dessen Betriebsgenehmigung der Bund im neuen Atomgesetz nochmal verlängert hat; die Südharzautobahn, die zu Beginn der Legislaturperiode 1994 schon längst fertiggeplant war, von der SPD nicht mehr bekämpft wurde und wegen der Teile der Grünen die Koalition platzen lassen wollten; und schließlich die Colbitz-Letzlinger-Heide, die von der Bundeswehr trotz massiven Widerstands im Land zum Teil als Übungsplatz genutzt wird.

Bei diesen hochsymbolischen Projekten hatten SPD und Bündnisgrüne im Koalitionsvertrag Widerstand geschworen. Das dreimalige Versagen rechtfertigt Heidecke, man habe damals „nicht gewußt, welche Bundeszwänge es gab“. Wenigstens gegen Morsleben habe sie ihre „Nadelstichpolitik auf juristischer und politischer Ebene“ durchgehalten. Vorerst letztes Glied solle noch vor der Wahl die Verfassungsklage gegen die Novellierung des Atomgesetzes in Karlsruhe sein.

Erfolge sieht Heidecke vor allem auf dem Gebiet der Energiepolitik: Eine Klimaschutzstiftung werde jährlich vier Millionen Mark für kommunale Projekte bereitstellen, die Förderung für Sonnenkollektoranlagen sei verdreifacht worden, ein Hersteller für Windräder und damit bis zu 500 Arbeitsplätze habe man nach Magdeburg gelockt, gemeinsam mit den Stromversorgern sei eine Studie über das Potential von Windenergie erarbeitet worden. Immer wieder verweist die Umweltministerin auf die Arbeitsplatzeffekte: Es gebe in Sachsen-Anhalt bereits 12.000 Jobs in der reinen Umweltbranche. „Diese Zahl könnten wir in der nächsten Legislaturperiode verdoppeln.“

Der grüne Landtagsabgeordnete Mathias Weiland, ein lauter innerparteilicher Kritiker, sagt: „Die Bilanz auf der Umweltstrecke ist eher durchwachsen.“ Speziell die Umweltverbände hatten sich von den Grünen im allgemeinen und Heidrun Heidecke im besonderen mehr erwartet. Olliver Wendenkampf, Geschäftsführer des BUND Sachsen-Anhalt, ist mit der Bilanz „natürlich nicht zufrieden“, obwohl vieles besser gelaufen sei als unter der vorherigen CDU/FDP-Regierung. Die Ministerin habe in vielen Fragen „nicht genug Rückgrat“ gehabt. „Ich denke, daß man mehr hätte durchsetzen können, wenn man der SPD gezeigt hätte, daß man nicht unbedingt an der Macht bleiben will.“

Die von Heidecke mitgetragene Eröffnung eines Raumordnungsverfahrens für einen Großflughafen in der Altmark war nach Ansicht der Umweltverbände ein Fehler. In diesem Punkt hatte die Ministerin ihre Partei erpreßt: Wenn ihre Position nicht gebilligt wird, trete sie nicht wieder als Spitzenkandidatin an. An der Basis wurde das Ende der Koalition gefordert. Heidecke verteidigt: Nur durch das Raumordnungsverfahren sei „Ruhe und Sachlichkeit“ in die Diskussion um das „Phantom“ zu bringen gewesen.

Auch auf innenpolitischem Gebiet haben die Bündnisgrünen etwas vorzuweisen. Bei der Novellierung der Gemeindeordnung erreichte die Partei beispielsweise eine Senkung der Hürden für Bürgerbegehren. Lang ist die Liste der frauenpolitischen Erfolge. In diesem Bereich sei die Koalitionsvereinbarung „in allen Punkten“ umgesetzt, freut sich die zuständige grüne Staatssekretärin, Elke Plöger. Ein „modernes Frauenfördergesetz“ schreibe jetzt unter anderem vor, daß bei Personalabbau im öffentlichen Dienst weiblichen Angestellten nicht überproportional gekündigt werden dürfe. Gescheitert sind die Grünen hingegen bei dem mit der SPD fest vereinbarten Energiespargesetz.

Eine Woche vor der Wahl sehen Umfragen die Grünen bei vier Prozent, vor dem Benzin–Beschluß vom März hatten sie noch bei 7,5 gelegen. Mit einem Kraftakt versucht die Partei, den Sprung doch noch zu schaffen – nicht einfach für einen Verband mit nur rund 500 Mitgliedern, der nicht einmal genug Personal zur Besetzung der Regierungsposten hatte. Selbst wenn die Grünen es wirklich schaffen, ist Mathias Weiland „eher verhalten“ über die Aussicht auf eine Fortsetzung der Koalition. Erreicht die SPD wirklich mehr als 40 Prozent, wird „mit ihr noch schwieriger zu verhandeln sein.“