Siegesrufe in Verliererpose

■ Hamburger CDU: Deprimierter Wahlkampfauftakt plus Kandidatenkür

Einen Tag nach der Gerhard-Schröder-Jubelfeier in Leipzig feuerte die Hamburger CDU am Sam-stag ihren Startschuß zum Bundestagswahlkampf ab. „Dieser Mann ist nicht verläßlich! Verläßlich als Kanzler ist nur Helmut Kohl!“klagte der Hamburger CDU-Parteichef Dirk Fischer über Schröder. Die Wähler würden sich mit rot-grün „selbst ins Knie schießen“.

Allerdings sei er sicher, daß die Menschen „in wichtigen Schicksalsfragen der Union am meisten vertrauen“. Der Christdemokrat und Befürworter der Ökosteuer kritisierte außerdem die Querelen um den Bundestags-Fraktionschef Wolfgang Schäuble als „unnötig und ärgerlich“. Er jedenfalls wünsche sich und seinen Mitkämpfern „Optimismus und Zusammenhalt“.

Davon war im Bürgerhaus Wilhelmsburg jedoch wenig zu spüren. Die meisten Delegierten winkten, nach den Siegeschancen gefragt, deprimiert ab. Mit dem Weiter-so-Kanzler Kohl rechnet man sich keine Stimmungswende aus. Wie das Ruder noch herumgerissen werden kann, ist den CDUlern schleierhaft.

Auch von Zusammenhalt konnte nicht wirklich die Rede sein. Statt dessen wurden die üblichen kleinen Kämpfchen über die Wahl der Landesliste ausgefochten.

Während Bundesverteidigungsminister Volker Rühe mit 164 Ja-, neun Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen ein klares Ergebnis für Platz eins einfahren konnte, erhielt Fischer auf Platz zwei der Landesliste nur 121 Ja-Stimmen. Die Abgeordneten Gunnar Uldall (152 Ja-Stimmen) und Birgit Schieber-Jastram (142 Ja-Stimmen) ließ man passieren. Der Wandsbeker Klaus Francke auf Platz Nummer fünf wurde hingegen abgewatscht. Er erreichte mit 92 Stimmen nur gerade eben die Zustimmung.

Richtig Zoff gab es um die hinteren Plätze, die für die Wahl nur symbolische Bedeutung haben. Die Vorsitzende der Frauenunion, Karen Koop, ließ man zunächst durchfallen (74 Ja, 76 Nein, sieben Enthaltungen). Zwei Frauen wurden als Gegenkandidatinnen vorgeschlagen, wollten aber aus Solidarität nicht gegen Koop antreten. Im zweiten Wahlgang klappte es dann doch – knapp.

Mit großer Mehrheit wurde hingegen der Direktkandidat für Altona bestätigt: der Chef des Reemtsma-Konzerns Ludger Staby (62), der erst im Februar in die CDU eingetreten ist. Er leite ein Unternehmen mit 11.000 Mitarbeitern und 12 Milliarden Mark Umsatz, trete im Juni in den Ruhestand und fühle sich „noch fit genug, um Politik zu machen“. Um den schwierigen Wahlkreis Altona zu gewinnen – ohne Absicherung über die Landesliste – „werde ich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln kämpfen“. Silke Mertins