„Jein“ oder doch lieber „Jein“

Gesichter der Großstadt: Als Baustadträtin in Prenzlauer Berg meldet sich die 43jährige Bündnisgrüne Dorothee Dubrau seit zwei Jahren kaum noch zu Wort  ■ Von Kathi Seefeld

„Durchhalten“ ist was ganz anderes. Wer da sagt: „Ich lasse mich auch künftig nicht unterkriegen“ oder „Weitermachen zählt“, will kämpferisch klingen, nicht angeschlagen oder ausgeboxt. Besonders politische AmtsinhaberInnen neigen zu derartiger Rede, obwohl sie in der Regel – aus welchen Gründen auch immer – „durchhalten“ meinen.

Dorothee Dubrau, bündnisgrüne Baustadträtin von Prenzlauer Berg, ist eine ehrliche Haut. Seit ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren ist für die 43jährige nicht alles so gelaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Stadträtin zu werden gelang ihr 1996 erst beim vierten Anlauf.

Jetzt, nach überstandenem Abwahlantrag und langer Krankheit, will sie „durchhalten“. Noch die eine oder andere Sache durchsetzen. Ein Parkraumbewirtschaftungskonzept vielleicht, um das Verkehrschaos zwischen Max-Schmeling-Halle und Multiplexkino Colosseum in den Griff zu bekommen. Falls, räumt sie ein, falls zum Beispiel der Staatssekretär Ingo Schmitt (CDU) bei der Verkehrsverwaltung endlich einsehe, daß Parkraumbewirtschaftung in Wohngebieten auch nach 19 Uhr vernünftig ist.

Aus der „Mutter Courage der Altbausanierung“, über die JournalistInnen gern und viel schrieben, als Dorothee Dubrau noch Baustadträtin von Mitte war und Investoren das Fürchten lehrte, ist eine Politikerin geworden, die es, wie der SPD-Bürgermeister von Prenzlauer Berg, Reinhard Kraetzer, meint, „zwar immer allen recht machen will“. Die aber zwischen „Jein“ und „Jein“, wie es seitens der PDS-Fraktion im Bezirk heißt, letztlich nicht mehr viel zu sagen hat.

Natürlich, Prenzlauer Berg ist nicht Mitte, kein Hauptstadtbezirk. Schnäppchenheischende Investoren stehen hier nicht Schlange. Wer hier regiert, braucht nicht unbedingt eine Meinung zum „Planwerk Innenstadt“ zu haben. Natürlich ist der Bezirk einer, in dem Dubraus bündnisgrüner Amtsvorgänger Matthias Klipp so manche Weiche bereits gestellt hatte. Natürlich lief in Mitte, wo die Architektin als Baustadträtin nach der Wende ihre Verwaltung eigenhändig aufbaute, manches anders.

Natürlich, die Zeiten haben sich geändert: Selten zuvor hatten die Bezirkshaushalte so wenig finanzielle Mittel zur Verfügung. Besonders bündnisgrüne StadträtInnen geraten zunehmend in den Widerspruch zwischen Anspruch und Machbarem.

Vielleicht wäre es damals, als gleichzeitig das Angebot bestand, auch einfach nur besser gewesen, als Baustadträtin nach Charlottenburg zu gehen. Dorothee Dubrau spürt jedoch, daß diese Aspekte auf dünnem Boden stehen. Wenn in Prenzlauer Berg letztlich eine Herrenriege aus vier Stadträten über ihren Kopf hinweg entscheidet oder mehr als in allen anderen Ressorts des Bezirks ihre Haushaltsmittel gekürzt werden, ist das immer auch ein Ausdruck mangelnder Gegenwehr. Von ihr. Daß Politik ein kräftezehrendes Geschäft ist, wußte niemand besser als Dorothee Dubrau. Nur jetzt würde niemand auf die Idee kommen, sie wegen ihrer doch so unbequemen Haltung zu entmachten. Heute muß sie sich vorwerfen lassen, eigentlich keine Haltung zu haben.

Zum Beispiel zur künftigen Gestaltung der Kulturbrauerei. Hier befand sie sich im Zwiespalt: Einerseits fürchtete sie mögliche Belastungen für die Anwohner im Falle eines weiteren Großkinos an der Schönhauser Allee. Andererseits sah sie die für einen Investor einzigartige Bereitschaft der Treuhandliegenschaftsgesellschaft, die denkmalgeschützte Schultheissbrauerei umfassend zu sanieren. Über viele Monate hinweg war sie dann aber nicht in der Lage, eine für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Entscheidung zu fällen.

Letztlich hat sie die, wie sie sagt, „Kröte Multiplex“ geschluckt. Wenn sie das Großkino wirklich hätte verhindern wollen, wäre es notwendig gewesen im Bezirksamt dagegen zu stimmen. Mit ihrer Stimmenthaltung entstand eine Pattsituation. Zwei PDS-Stadträte stimmten dagegen, der Bürgermeister und ein CDU-Stadtrat dafür. In solchen Fällen zählt die Stimme des Bürgermeisters doppelt.

Die TLG wird beginnen zu bauen. Sie wird dies nach dem allgemeinen Baurecht tun. Damit nun nicht andere kommen, die Diskotheken und Spielhallen in dem Gebiet errichten wollen, will Dorothee Dubrau ein nachträgliches Bebauungsplan-Verfahren durchsetzen. Das bleibt eine Notlösung. Sie wird in Prenzlauer Berg nicht die einzige bleiben.

Normalerweise wäre im nächsten Jahr Schluß gewesen. Doch der „Rückzug aus der Politik“ ist mit den Regelungen im Zusammenhang mit der Bezirksreform noch einmal in die Ferne gerückt: „Das muß ich aushalten“, sagt Dorothee Dubrau.

Es gibt viele gute und wichtige Gründe für sie, nicht aufzuhören: vier Kinder, einen Mann, der „etwas weniger verdient“, eine zu kleine Wohnung für eine sechsköpfige Familie, die eigene für den großen Sohn, ein geklautes Auto, Rentenansprüche. Daß ihr bei der Arbeit der Idealismus abhanden gekommen ist, macht aus Dorothee Dubrau keinen schlechteren Menschen, nur als PolitikerIn ist sie heute lediglich nur noch eine unter vielen.