Die FDP will artig von der SPD lernen

Beim außerordentlichen Bundesparteitag der Liberalen standen die Steuer- und Arbeitsmarktpolitik im Vordergrund. Die Debatte um die umstrittene Gen-Datei wußte die Parteitagsregie geschickt zu verhindern  ■ Aus Berlin Markus Franz

Zwei Tage nach dem Parteitag der SPD nun einer der FDP. Statt Einmarschmusik pure Reden, statt Gänsehautfeeling nüchterne Stimmung – und statt durchorganisierter Einigkeit Gerangel hinter den Kulissen und eine Ex-Ministerin, die ihrer Partei zu allem Überfluß auch noch eine inhaltliche Diskussion aufzwingen will.

Zielstrebig und konzentriert läuft Sabine Leutheusser-Schnarrenberger beim außerordentlichen Parteitag der FDP in Berlin durch den Saal. Fünfzig Unterschriften braucht sie, damit der Parteitag über ihren Antrag entscheidet, eine Gen-Datei auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig ist zwar auch dafür. Aber ohne Unterstützung setzt sich der brave Edzard nun einmal nicht durch. Was soll Leutheusser auch sonst tun? Zuhören, wie sich ihre Partei erklärtermaßen voll auf die Themen Arbeit und Wirtschaft konzentriert, ohne sich auch nur mit einem Wort zur Innen- und Rechtspolitik zu äußern? Vergnatzt kommentiert sie die Lage: „Die Partei hat das so beschlossen. Sie will das so. Dann ist es eben so.“

Versöhnlicher und ganz im SPD-Duktus sagt Burkhard Hirsch: „Acht Tage vor den Wahlen in Sachsen-Anhalt müssen wir die Außenwirkung bedenken. Wir wollen gewinnen.“ In Ostdeutschland stehe nun einmal die Arbeitsmarktpolitik im Vordergrund. Selbst die Jugendorganisation der FDP, die Julis, fügen sich und wollen erst beim dreitägigen Parteitag in Leipzig vom 26. bis 28. Juni richtig angreifen. Nicht durch Steuer- und Wirtschaftspolitik, so ihre Ansicht, sondern nur durch Bürgerrechtspositionen kann die FDP ein eigenständiges Profil jenseits der Unionsparteien, aber auch jenseits der SPD gewinnen.

Will die FDP etwa von der SPD siegen lernen? Die Parteitagsregie läßt es nicht zu, daß sich die Delegierten mit dem Antrag zur Gen- Kartei befassen. Auch andere Tretminen werden heimlich und leise geräumt. In einer ersten Fassung des Antrags „Steuersenkungen für Arbeitsplätze“ war noch folgender brisanter Passus enthalten: „Die FDP will eine Reform des Länderfinanzausgleichs, damit mehr Anreize für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik und Ausgabendisziplin der Länder gesetzt werden.“ Doch soviel Stoiberei will die FDP vor einer Wahl in Ostdeutschland dann doch nicht riskieren. Schließlich profitieren gerade die finanzschwachen neuen Bundesländer vom Finanzausgleich. Cornelia Pieper, die Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen-Anhalt, setzte sich damit durch, die Passage zu streichen, und kann dann beim Parteitag wie die größte Selbstverständlichkeit verkünden: „Eine Neuordnung des Länderfinanzausgleiches zu Lasten der neuen Länder wird es mit der FDP nicht geben.“

Nachgiebig gegenüber den mutmaßlichen Wählerinteressen, wenngleich nicht so perfekt wie die SPD, zeigt sich die FDP beim Thema Energiesteuer. Der Parteitag beschließt zwar – gar nicht im Sinne des „Autovolkes“ in Ostdeutschland: „Im Rahmen der Steuersenkungsreform setzt sich die FDP für einen dritten Mehrwertsteuersatz auf den Energieverbrauch ein.“ Um aber die Wähler zu beruhigen, wird mehrheitlich per Änderungsantrag die Formulierung angefügt: „sofern sie europaweit eingeführt wird“. Fraktionschef Hermann-Otto Solms hatte sich intern dafür eingesetzt, notfalls auch einen nationalen Alleingang zu unternehmen.

Eigentlich wollte die FDP sogar auf einen Antrag zur Steuerpolitik verzichten. In Ostdeutschland, so fürchten einige FDPler, sei das Mißtrauen gegen die versprochene Nettoentlastung von „mindestens 30 Milliarden Mark“ noch größer als im Westen. Aber dann stellen die Freidemokraten ihr Lieblingsthema doch noch in den Vordergrund und kommen sogar auf ihr altes Drei-Stufen-Modell mit Steuersätzen von 15, 25 und 35 Prozent zurück. Die Julis konnten sich überraschend mit der Forderung durchsetzen, den Solizuschlag ganz abzuschaffen. Die Transferleistungen in den Osten sollen jedoch nicht eingeschränkt werden.

Aber was nützen alle verlockende Pläne, wenn die FDP von den Medien ohenhin niedergemacht wird? Wie sagt doch der sächsische Delegierte Roland Eibold: „Wir werden dermaßen runtergeschrieben. Das ist schlimmer als zu DDR-Zeiten.“