Kein Geld mehr für die Straßenbeleuchtung

■ Der Sparzwang treibt die Bürgermeisterin des uckermärkischen Göritz zu Verzweiflungstaten

Göritz (taz) – 930 Seelen hat das Dorf, und das ist viel für diese Gegend. In vielen anderen Gemeinden der Uckermark im Nordosten Brandenburgs kann man die Wohnhäuser an zwei Händen abzählen. Wer in Göritz wohnt, hat es gut getroffen. Hier gibt es einen kleinen Supermarkt, eine Quelle- Vertretung, eine Telefonzelle, ein heruntergekommenes Schloß und einen Getränkeshop. Was Göritz nicht hat, ist vor allem Geld. Die Gemeindefinanzen liegen am Boden. Noch 8.000 Mark an Rücklagen hat das Dorf. Aber immerhin: Göritz hat einen ausgeglichenen Haushalt und keine Schulden.

Auf der Dorfstraße spielen ein paar Kinder. Die Männer sind alle auf dem Fußballplatz am anderen Ende des Ortes. Trostlos wirkt das Dorf nicht, eher bescheiden. Die Zeiten, da man sich Gummistiefel anziehen mußte, um beim Nachbarn einen Tee zu trinken, sind vorbei. Ein neuer, aber schmaler Gehweg verbindet die Häuser miteinander. Doch der Gehweg ist nicht der Grund, warum kein Geld da ist. Das Dorf leidet unter der Abgabenlast. Kreis und Amt finanzieren ihre Arbeit aus den Umlagen, die die Gemeinden abführen müssen.

Drei Viertel ihres Haushaltes muß Bürgermeisterin Karla Schmidt allein dafür hergeben. Vom Rest bezahlt das Dorf Pflichtleistungen wie Straßenerhaltung, die Unterhaltskosten für die erst sieben Jahre alte Grundschule oder den Kindergarten. Der Jugendclub in der ehemaligen Kinderkrippe ist eine freiwillige Leistung der Gemeinde. Göritz ist das letzte Dorf im Amt Prenzlau Land, das sich noch ein Haus für die Jugend leisten kann. Aber auch das ist in Gefahr, weil der Kreis mehr Geld von den Gemeinden will.

Seit vor zwei Monaten der Göritzer Gemeinderat wegen der Finanzmisere zusammen mit sechs anderen zurückgetreten ist, steht Karla Schmidt allein da. Schon vorher waren die Gestaltungsmöglichkeiten im Dorf auf Kleinigkeiten begrenzt. Jetzt hat die 32jährige ehrenamtliche Bürgermeisterin noch weniger zu sagen. Alles regelt jetzt eine Staatsbeauftragte vom Landkreis. Mehr schlecht als recht, wie Karla Schmidt meint: „Ihr wurde ein ausgeglichener Haushalt mit bereits gestrichenen Leistungen vorgelegt und trotzdem abgelehnt.“

Um an Geld zu kommen, muß sie sich etwas einfallen lassen. Zuschüsse zum traditionellen Gemeindefest kann sie nicht mehr bewilligen. Per Brief bettelt sie Sponsoren an, ein paar Mark soll auch das Sammeln von Schrott bringen. Im Dorf wurde ein Container aufgestellt; wer hat, soll sein Altmetall da abladen.

Vor gut viereinhalb Jahren ist Karla Schmidt in das Bürgermeisteramt „hineingerutscht“, wie sie sagt. Mit großen Hoffnungen. „Ich wollte die Welt verändern. Aber dazu braucht man Geld, und das haben wir nicht.“ Wenn sie das Stichwort „kommunale Selbstverwaltung“ hört, kann sie nur lachen. „Wo nichts ist, kann nichts verwaltet werden.“

Noch hat sie den Kampf nicht aufgegeben. Anfang April hat sie die Straßenlampen im Dorf abschalten lassen, um Stromkosten zu sparen. Wenn es dunkel wird in Göritz, sind Taschenlampen gefragt. „Früher haben wir das Licht noch bis halb ein Uhr nachts angelassen und früh morgens wieder angestellt, wenn die Leute zur Arbeit müssen.“ Glücklich ist Karla Schmidt damit nicht. „Weil es hier dann wirklich unheimlich ist, wenn man ins Dorf fährt.“

Karla Schmidt arbeitet 40 Stunden in der Woche in Prenzlau als Büroangestellte. Der Streß im Amt einer Bürgermeisterin kommt noch dazu. Ihre Familie leide darunter sehr, sagt sie. Wo sie im Dorf auftaucht, wird sie gefragt, wie es weitergehen soll. „Ich muß immer nur erklären, erklären und erklären“, sagt sie. Ob sie zu den Kommunalwahlen im September noch einmal antreten will? „Ich weiß es nicht.“ Thorsten Denkler