Roh, aber ganz unaufgeregt

■ Kino, gediegen: Mit Verspätung startet jetzt Shohei Imamuras Der Aal in Hamburg

Erinnert sich noch jemand an Tampopo, den Film von Juzo Itami, der hauptsächlich eine These zu illustrieren versuchte: daß Essen im Grunde Sex sei? Erinnert man sich an den weißgekleideten Gentleman, der seine Partnerin in den Orgasmus treibt, indem er ihr mit seiner Zunge ein rohes Eidotter in den Mund schiebt?

An diesen großen dekadenten Mann jedenfalls sollte man zurückdenken, wenn jetzt mit reichlich Verspätung Shohei Imamuras preisgekrönter Film Der Aal ins Metropolis kommt. Denn eben dieser Koji Yakusho, der in Tampopo grundsätzlich alles – je glitschiger, desto lustvoller – in den Mund nahm, verbringt seine Tage in Der Aal damit, einen, oder besser: den Aal gerade nicht zu essen.

Vor gut acht Jahren nämlich hat Takuro in einem Eifersuchtsanfall seine Frau erstochen. Dafür kam er ins Gefängnis und weigerte sich fortan, auch nur ein einziges Wort zu sagen. Es war Takuro allerdings erlaubt, in seiner Waschschüssel einen aus der Gefängnisküche gemopsten Aal zu halten, und zu diesem so angenehm stummen Gefährten konnte Takuro dann doch reden. Bei seiner Entlassung nimmt er den Fisch mit.

Seine wiedergewonnene Freiheit nutzt Takuro hauptsächlich zum Angeln: Tagelang sitzt er am Ufer, fängt Fische und wirft sie wieder ins Wasser. Dabei lernt er den beinahe ebenso verschrobenen Takada kennen. Der brüstet sich, an die hundert verschiedene Methoden zum Fangen von Aalen zu beherrschen, und so ziehen die beiden jede Nacht aus, um die armen Aale zu fangen, respektive, man ahnt es schon, heimlich wieder freizulassen.

Es ist vielleicht nicht allgemein bekannt, daß die japanische Küche nicht nur rohen Fisch aufzuweisen hat. Speziell die Aale werden, besonders in der Romanvorlage des Films, sehr verschiedenen und meist überaus blutrünstigen Techniken der Zubereitung unterworfen. Daß Takuro also mit dem Essen im besonderen wie im allgemeinen seine Schwierigkeiten hat, ist offensichtlich. Dann rettet er die lebensmüde Keiko, sie verliebt sich in ihn, und Takuros Eßstörungen nehmen überhand. Jede Nacht wartet sie auf den zum Aalritual ausfahrenden Takuro, um ihm ein kleines Proviantpäckchen zu übergeben, und jede einzelne Nacht verweigert Takuro die Annahme. Das geht also einige Zeit so seinen Rainman-haften Gang, bis sich herausstellt, daß Keiko schwanger ist. Nicht von Takuro natürlich, sondern von ihrem Ex-Liebhaber. Der stellt sich als rechter Widerling heraus, und damit kann der Aal – der Fisch wie der Film – zu seinem vorhersagbaren Ende finden.

Also: Das Beste, was sich sagen ließe, wäre vielleicht, daß Der Aal ein ausnehmend unaufgeregter Film ist. Unprätentiös, in langen Einstellungen und fast dokumentarisch wird mit allen Beteiligten liebevoll und freundlich umgegangen. Ein Kammerspiel fast, das genau wie Tampopo die mögliche Verknüpfung von Essen und Sex sich zunutze macht.

Nur halt ohne jede Lust.

Matthias Anton

23.4., 21.15 Uhr; 24.4., 19 Uhr; 25.4., 21.15 Uhr; 26.4., 21.15 Uhr; 28.4., 17 Uhr; 29.4., 19.30 Uhr, Metropolis