Dem Kanzler paßt die ganze Richtung nicht ...

■ ...weswegen mit Bonn eine europäische Beschäftigungspolitik derzeit nicht zu machen ist

Brüssel (taz) – Bei der Reduzierung der Arbeitslosigkeit will sich die Bundesregierung von der EU nichts vorschreiben lassen. Bundeswirtschaftsminister Günter Rexroth hat das „beschäftigungspolitische Aktionsprogramm“ deshalb auch so erledigt, wie von ihm zu erwarten war: als lästige Hausaufgabe, die man möglichst gedankenlos hinter sich bringt.

Auf dem Beschäftigungsgipfel der EU im letzten November in Luxemburg hatten die 15 Regierungschefs gegen starken Widerstand aus Bonn beschlossen, daß jedes Land konkrete Maßnahmen gegen die Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit ergreifen sollte. Einmal im Jahr sollten die Regierungen Bericht erstatten, damit die anderen die Ernsthaftigkeit überprüfen könnten. Die Idee dahinter ist einfach: Warum sollte bei der Beschäftigung nicht möglich sein, was beim Euro erfolgreich war, als die Regierungen ihre Haushaltsdefizite drastisch reduzierten. Doch anders als beim Euro, wo der Schuldenabbau über die Teilnahme an der Währungsunion entscheidet, übt die gegenseitige Kontrolle bei der Arbeitsmarktpolitik nur moralischen Druck aus. Und dagegen ist die Bundesregierung offensichtlich immun. Schon in Luxemburg hat Helmut Kohl deutlich gemacht, daß ihm die ganze Richtung nicht paßt. Beschäftigungspolitik sei nationale Aufgabe, die EU solle sich da heraushalten. Aktive Förderprogramme, wie von einigen Ländern gefordert, kosteten nur Geld, das beim Schuldenabbau fehle. Und der sei wichtiger. Bei gesunden Staatsfinanzen, so das Bonner Mantra, würde die Arbeitslosigkeit von alleine zurückgehen. Vor allem Frankreich, aber auch Länder wie Belgien oder Luxemburg wollten sich diesem Aberglauben nicht anschließen. Sie setzten schließlich durch, daß sich alle Regierungen verpflichteten, Jugendlichen spätestens nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit einen Neuanfang zu ermöglichen. Dabei bleibt es den Regierungen überlassen, ob dieser Neuanfang eine ABM-Stelle, eine Umschulung oder eine Weiterbildung sein sollte. Die Forderung des Luxemburger Premiers Jean-Claude Juncker, daß mindestens 25 Prozent aller Arbeitslosen in Fördermaßnahmen untergebracht werden müßten, handelte Kohl auf 20 Prozent herunter. Denn in der Bundesrepublik sind derzeit, vor allem im Osten, rund 23 Prozent der Arbeitslosen in solchen Fördermaßnahmen. Und Bonn will abbauen, nicht zulegen. In den letzten Jahren hat die Bundesregierung rund zwei Prozent des Bruttosozialproduktes für aktive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben. Sie liegt damit im Kreis der EU- Länder im Mittelfeld. Großbritannien gibt nur 0,5 Prozent aus, Dänemark 4,6 Prozent. Vor allem Paris drängt auf ein stärker abgestimmtes Vorgehen. Die sozialistische Regierung hatte im Wahlkampf versprochen, 700.000 neue Stellen zu schaffen, zum Teil mit Staatsgeldern. Doch die Erfahrung früherer sozialistischer Regierungen zeigt, daß solche Beschäftigungseffekte über die offenen Grenzen verpuffen, wenn in den Nachbarländern eine völlig andere Politik gemacht wird. Doch eine europäische Beschäftigungspolitik ist mit Bonn derzeit offenbar nicht zu machen. Alois Berger