Post-irgendwas-Zeit

■ Brillowskas Kunstbetriebsabrechnung „Katharina & Witt“im B-Movie

Den Film anregend zu nennen, wäre bei der Unzahl von sexuellen und perversen Akten, die da in 100 Minuten gezeigt werden, eher mißverständlich. „Nicht salonfähig“ist eine Charakterisierung, die man getrost aus dem Film selbst übernehmen kann. Doch eigentlich ist dieses schrille Zeichentrickwerk eine Abrechnung mit dem Kunstbetrieb, voller Anspielungen auf die Hamburger Kunst-Szene, die die Autoren Mariola Brillowska und Charles Kissing von ihrem gemeinsamen Studium an der Hochschule für bildende Künste in den achtziger Jahren gut kennen.

Die fragmentarische Geschichte des Wandels der stark stilisierten, lochköpfigen Agenten Katharina und Witt zu erfolgreichen Künstlern zappt sich durch die Kunst von Botticelli bis Beuys und beruft sich besonders auf die Körperkünstlerin Orlan und die Aktionisten Klauke und Nitsch. „Ich sample gern aus der Kunstgeschichte“, sagt der Betreiber der bordellartigen Kunstdisco – und so etwas ähnliches ist auch der ganze Film, nicht zuletzt aufgrund der stark rhythmischen Sounds.

Durchaus komisch werden sinnlose Versatzstücke des Kunstvokabulars zitiert. Aus dem Off wird der gigantische Mißbrauch der Kunst als Wirtschaftsfaktor angeprangert, dazu Ficken im Rhythmus von Fotoklicken. Und selbst in dieser sittenlosen Post-irgendwas-Zeit gibt es noch surreale Übersteigerungen in einer poetischen Paarung zweier Mäntel, oder wenn die Kafeemaschine Kuckuck schreit.

Ein Filmtraum geht in Erfüllung: Die Figuren erobern auch dreidimensional den Raum und besuchen in roten Lackmänteln das Publikum in einer live-Performance. Katharina alias die Regisseurin/Künstlerin Mariola Brillowska slamt dabei Botschaften aus der Welt der Agenten, und es gibt den im Film bedeutenden geheimnisvollen Tee aus Yunan, damit die erotischexotische, schockschrille und krimminellegomane Kunstwelt komplett wird. Hajo Schiff

heute, 21 Uhr, B-Movie, Brigittenstraße 5