Hertha-Fans boykottieren Spiel gegen Bielefeld

■ Angewidert von Schwan bleiben viele zu Hause. Hoeneß: Verein hat Schaden genommen

Was erduldet dieser Mann nicht alles, um seinen Arbeitsplatz zu sichern. Jürgen Röber, der seit Wochenfrist von Aufsichtsratschef Robert Schwan gemobbte und gedemütigte Coach von Hertha BSC, will heute gegen Arminia Bielefeld auf der Trainerbank Platz nehmen, als wäre nichts geschehen. „Es geht nicht um mich“, versucht der von höchster Stelle zum „Abschuß“ freigegebene Sportlehrer sich und den Fans einzureden.

Die Anhänger des Aufsteigers sollen im Olympiastadion tüchtig „Theater machen“, fordert er, um die Gäste aus Ostwestfalen einzuschüchtern. „Wir brauchen unbedingt einen Sieg, damit der Klassenerhalt endgültig geschafft ist“, fordert Röber. Doch das Volk der Herthaner scheint sich kontraproduktiv verhalten zu wollen. Ein Fanstreik wurde gar anberaumt, die supporter sollen – aus Verehrung gegenüber „ihrem“ Jürgen – die Plätze im Stadion erst nach dem Anpfiff einnehmen. Allerdings scheint die Streikfront zu bröckeln, denn der Vorverkauf läuft zähflüssig, viele Fans werden wohl – angewidert vom Schwanschen Theaterdonner – lieber zu Hause bleiben. „Der Verein hat viel Schaden genommen, aber wir müssen wieder zur Tagesordnung gehen“, fordert Dieter Hoeneß die Protestanten zum Schulterschluß mit der Röber-Elf auf.

Auf seiten der Bielefelder Gäste präsentiert sich mit Ernst Middendorp der exakte Antipode zum sportlichen Masochisten Röber. „Ekel Ernst“ gibt sich laut und gefährlich, unbotsame Journalisten rempelt er in der Pressekonferenz schon mal an oder beschimpft sie als „Bratwürste“ und schlimmer. Den ebenso hochbezahlten wie verhätschelten Arminia-Profis verweigert er sein akademisches Ohr, da sie ohnehin grundlos klagten. TV-Termine nimmt Middendorp sporadisch wahr, am liebsten, wenn ihm vorab die Gunst der freien Rede, ohne Einwürfe des Moderators, gewährt wird.

„Ich bin ja schon verrückt“, staunt selbst Bielefelds Manager Rüdiger Lamm, „aber der ist bekloppt.“ Vor drei Jahren warf Middendorp seinen Job als Studienrat für Wirtschaftswissenschaften hin und sprang ins Haifischbecken Bundesliga, wo er mittlerweile ganz unten angekommen ist. Der Tabellenletzte aus der Provinzstadt bei Detmold kann dem Abstieg in die Zweitklassigkeit höchstens noch durch eine wundersame Wendung des Schicksals entrinnen. Zum Lohn für den Niedergang wurde Middendorps Vertrag auf der Bielefelder „Alm“ bis ins nächste Jahrtausend verlängert.

Von der Exzentrik Middendorps profitiert auch Hertha BSC, denn der beste Armine, Torsteher Georg Koch, muß zu Hause bleiben – der Coach suspendierte ihn, weil Koch Wechselgelüste Richtung Dortmund nachgesagt werden. Heim-Trainer Röber warnt jedoch vor einem angeschlagenen Gegner, dem er eine gefährliche Trotzreaktion aus Lockerheit und Draufgängertum zutraut. „Wir spielen gegen eine Mannschaft, die nichts mehr zu verlieren hat.“ Jürgen Schulz