■ Standbild: High-noon des Abgeschmackten
„Du hast mir meine Familie geraubt“, Mi., 20.15 Uhr, RTL
Für ordentliche Zerrüttung ist keine Zeit mehr – die Metaphernaxt wird aus dem Märchenwald geholt, von dort, wo es am archaischsten zugeht. Hexen müssen her, und die sollen auch brennen. „Du hast mir meine Familie geraubt“ animiert ohne jeden Kunstgriff zur Steinigung im Wohnzimmer. Damit es auch kein Vertun gibt, wen der Erdnußhagel treffen soll, trägt die Hexe Schwarz und den vorhöllischen Namen Maya Karus. Mann und Kinder gingen bei einem Autounfall in Flammen auf. Jetzt geht sie daran, die Familie der Unglücksfahrerin von damals mit ihrer Rache niederzufackeln. Regisseur Wolfgang Mühlbauer hat diese Dramolette als ein High- noon des Abgeschmackten inszeniert. Da sind (dunkelmähnige) Weiber wie Maya höchst suspekt, weil sie mit derselben Leichtigkeit hämmern (und betonieren) können, mit der sie Petersilie auf den Schnittchenteller streuen. Hexen, so will es die Volkspsychose, sehen besser aus als artige Ehefrauen, hegen und pflegen ihre Opfer, bis sie in der Bratröhre landen. Und die gekidnappte Gattin liegt voller Wundbrand im Keller. Hysterie, Zickigkeit und Eifersucht bestücken bescheiden ihre gesamte Reaktionspalette. Maya verwöhnt derweil (zu Schubertklängen) deinen einsamen Gatten, backt den Kindern eine Geburtstagstorte nach der anderen. Und wenn der Sohn abends im Bett seinem Schwesterchen im Brustton patriarchaler Lebensweisheit und Muttertreue erklärt: „Maya ist eine Schreckschraube, genau wie du“, dann ist das Böse wieder einmal das Fremde, das andere, eben die Frau von nebenan. So billig ist die Verbrüderung von Familienfilm und Hexenjagd selten zu haben. Birgit Glombitza
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