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Schröders Privattermin mit dem Diktator

Weißrußlands Präsident Lukaschenko kommt bei der Hannover-Messe gut an. Er pflegt Wirtschaftskontakte mit deutschen Firmen und speist mit dem SPD-Kanzlerkandidaten. Ganz privat natürlich  ■ Aus Hannover Barbara Oertel

„Ich werde alle Ihre Fragen beantworten“, sagt Weißrußlands Staatspräsident Alexander Lukaschenko den Besuchern seiner Pressekonferenz auf der Hannover-Messe. Das tut er denn auch, allerdings auf seine Art.

Die Pressefreiheit sei in Weißrußland eingeschränkt und kritische Journalisten würden oft unter lebensgefährlichen Bedingungen arbeiten? „Da haben Sie wohl mit den falschen Leuten gesprochen“, entgegnet Lukaschenko. In der Hauptstadt Minsk könne man über ein Dutzend oppositioneller Zeitungen kaufen, die zudem noch von der Europäischen Union (EU) finanziell unterstützt würden – „unterstützt, um gegen die Regierung zu kämpfen. Das ist vielleicht das Prinzip demokratischer Staaten im Westen. Wir vertreten da eine andere Auffassung“, sagt er.

Eigentlich war Lukaschenko ja am Mittwoch nachmittag ganz privat nach Hannover gekommen, wie alle Seiten immer wieder versicherten. Und eigentlich wollte Weißrußlands Staatspräsident, der sich im November 1996 bei einem Referendum mit unbeschränkten Vollmachten ausstatten ließ, ja auch viel lieber über die guten Wirtschaftsbeziehungen seines Landes zu Deutschland reden. Und die lassen sich gar nicht so schlecht an. So hat die Münchner Firma MAN, auf deren Initiative die Einladung Lukaschenkos nach Hannover mit zurückgeht, mit dem Minsker Staatsbetrieb MAZ einen Joint-venture-Vertrag über Lkw-Montage abgeschlossen.

Probleme mit Menschenrechtsverletzungen hat das Unternehmen dabei offenbar nicht. „Wenn wir da nicht einsteigen, tun das andere“, sagt ein Sprecher des Unternehmens. Sich auch noch um Politik zu kümmern, würde Wirtschaftsunternehmen nun wirklich überfordern. Und: „Schließlich verkaufen wir Herrn Lukaschenko ja keine Panzer.“

Darauf wäre der weißrussische Diktator auch nicht angewiesen. Erst Anfang April wurde ein 21jähriger Weißrusse, der an einer Kundgebung gegen den Unionsvertrag zwischen Rußland und Weißrußland teilgenommen hatte, zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Zuvor waren zwei Schüler, die Losungen an Mauern gekritzelt sowie ein Lenin-Denkmal und eine Statue des ehemaligen Polizeichefs Derschinski beschädigt hatten, zu anderthalb Jahren Arbeitslager strengen Vollzugs verurteilt worden. Oppositionelle Zeitungen, für deren Verkauf Rentner regelmäßig von der Miliz zusammengeschlagen werden, sollen künftig von staatlichen Behörden keine Auskünfte mehr bekommen.

Doch nicht nur Unternehmen scheinen über derartige Vorfälle hinwegzusehen. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder fand am Mittwoch Zeit, mit Lukaschenko ein rein privates Mittagessen einzunehmen. Das könnte jetzt ein weniger privates Nachspiel haben. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Friedbert Pflüger forderte gestern in der Braunschweiger Zeitung, der Auswärtige Ausschuß des Bundestages müsse sich mit dem Vorgang befassen. Die Begegnung des SPD-Kanzlerkandidaten mit Lukaschenko sei ein „falsches Signal“ an Polen oder Litauen, „die sich wirklich um demokratische und wirtschaftliche Fortschritte bemühen“. Der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff warf Schröder vor, er nehme es mit den Menschenrechten „nicht ernst“. Kommentar Seite 12

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