„Tierversuche für die Karriere“

■ Professor Rainer Knußmann im taz-Interview: Tierversuche sind ein ethisches Problem und wissenschaftlich unbrauchbar

Professor Rainer Knußmann lehrt am Hamburger Institut für Humanbiologie und ist Mitglied der „Ärzte gegen Tierversuche“.

taz: Sind nicht gerade Mediziner auf Medikamente angewiesen, die im Tierversuch erprobt wurden?

Rainer Knußmann: Das sind sie keineswegs, denn es gibt heute gute Alternativmethoden. Substanzen von Medikamenten kann man zum Beispiel an menschlichen Gewebestrukturen testen. Dabei hat man dann auch nicht das Problem der Übertragbarkeit. Wie gefährlich die Übertragung von Ergebnissen aus Tierversuchen auf den Menschen sein kann, hat uns die Contergan-Katastrophe gezeigt.

Gilt das auch für Affen? Das Erbgut von Schimpansen stimmt zu 99 Prozent mit unserem überein.

Bei Affen nimmt die Gefahr der Übertragbarkeit ab, aber die ethischen Bedenken nehmen erheblich zu. Ich möchte wagen zu sagen: Wer an unseren nächsten Verwandten, gewissermaßen unseren Vettern, Versuche macht, für den ist es nur noch ein kleiner Schritt, auch Experimente an Menschen zu machen. Der Mensch hat nicht nur das im Grundgesetz verankerte Recht, freiheitlich zu forschen, er hat darüber hinaus Verantwortung für seine Mitgeschöpfe. Auch das müßte ins Grundgesetz. Der Mensch ist aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeit und seiner beherrschenden Stellung unter den Lebewesen gerade dazu verpflichtet, mit seinen Mitgeschöpfen verständnisvoll und fürsorglich umzugehen. Das gilt besonders für Primaten.

In der Hirnforschung halten manche Wissenschaftler Experimente mit Affen für unvermeidlich. Ist dieser Bereich eine Ausnahme?

Der Bereich ist keine Ausnahme, sondern besonders brutal. Außerdem ist die Verwandtschaft des Affen zum Menschen zwar sehr nahe, dennoch können die Reaktionen höchst unterschiedlich sein. Man sieht das sehr gut an der Immunologie. Mit HIV infizierte Menschenaffen bilden Antikörper, erkranken aber nicht an Aids.

Warum wird trotz Alternativen und der Schwierigkeit, die Ergebnisse auf Menschen zu übertragen, an Tierversuchen festgehalten?

Ich habe im Laufe meiner Forschungsarbeit die Möglichkeit gehabt, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Meistens dienen Tierversuche eher der Karriere oder dem Prestige des Forschers als dem Wohle der Menschen. Wobei ich nicht jedem Kollegen den Glauben absprechen will, der Menschheit etwas Gutes zu tun. Das Festhalten an dieser Methode liegt teilweise auch daran, daß es bequemer ist, als sich um Alternativen zu bemühen. Vielen Forschern ist das Leid der Tiere zudem gleichgültig.

Radikale Tierversuchsgegner fordern Grundrechte für Tiere, etwa das auf körperliche Unversehrtheit. Was ist davon zu halten?

Was heißt körperliche Unversehrtheit? Dann dürfte man auch keine Tiere schlachten. Andere Tiere aus Gründen der Ernährung zu töten, geschieht auch in der Natur. Es gibt schließlich nicht nur Pflanzenfresser. Was man jedoch nicht tun darf, ist, einem Tier Leid zuzufügen. Fragen: Silke Mertins