Qualen im Namen der Forschung

Hunde, Mäuse, Ratten, Schafe, Kaninchen: Das UKE „verbraucht“jährlich 30.000 Tiere. Auch mit unseren nächsten Verwandten, den Affen, könnte jederzeit experimentiert werden  ■ Von Silke Mertins

Dr. med. vet. Jens Dimigen gibt es nicht gern zu, aber in den Versuchslaboren des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE) gibt es„auch Hunde“. Allerdings, so der UKE-Tierschutzbeauftragte, „sind 95 Prozent der Tiere Mäuse und Ratten“. Zum Rest gehören neben Hunden auch Kaninchen, Schafe und Meerschweinchen. Insbesondere bei „genmanipulierten Mäusen“habe es eine „starke Zunahme“gegeben. Tierversuche an Katzen habe man schon seit 10 Jahren nicht mehr gemacht. Die letzten UKE-Experimente mit den engsten Verwandten des Menschen, den Affen, liegen 24 Jahre zurück.

Affen, sagt Dimigen, sind meistens „Wildfänge“. Und die sind „schwer tiergerecht zu halten“. Die an Menschen gewöhnten Schafe hingegen laufen den Foschern im Versuchslabor „sogar hinterher“. Über jeden Forschungsantrag werde „in einem Abwägungsprozeß“zunächst im UKE und dann in der Gesundheitsbehörde entschieden.

Für die Tierschützer gibt es indes kein Abwägen. „Harmlose Tierversuche gibt es nicht“, protestierten die „Bürger gegen Tierversuche“gestern vor dem UKE. In der Klinik werde „mit unseren Krankenkassenbeiträgen und Steuergeldern Tiere zu Tode gequält“, sagte Sprecherin Simone Runde. 30.000 Tiere „verbraucht“das UKE im Jahr – ein unerträglicher Zustand.

Auch Versuche mit Affen sind jederzeit denkbar, wenn ein entsprechender Forschungsantrag positiv „abgewogen“wird. Gerade wegen ihrer Nähe zum Menschen – mit Schimpansen haben wir 99 Prozent des Erbguts gemein – sind sie in Forschungslabors begehrt. Im Berhard-Nocht-Institut hielt man bis 1989 Affen. Und trotz der engen Verwandtschaft finden die Forscher das Ansinnen, Primaten „Menschenrechte“zuzugestehen, geradezu absurd. Der Mensch, argumentieren sie, ist radikal anders als jedes andere Lebewesen.

Doch wo will man die Grenze ziehen? Intelligenz? Dann müßte man auch geistig Behinderten ihre Rechte absprechen. Sprechvermögen? Seit Jahren ist bekannt, daß Primaten mit Hilfe der Gebärdensprache oder moderner Computertechnik „sprechen“lernen können. Das Gorillaweibchen Koko etwa verdammte Zitronen als „Scheiß Orangen“. Andere konnten sogar zwischen aktiv und passiv unterscheiden. Und Tierforscher wollen Primaten in freier Wildbahn bei der völlig zweckfreien Betrachtung eines Sonnenuntergangs beobachtet haben.

„Es gibt keine Versuche mit Affen und es wird auch keine geben“, läßt die für das UKE zuständige Wissenschaftssenatorin Krista Sager (GAL) knapp mitteilen. Für Genehmigungen sei nicht sie, sondern die Gesundheitsbehörde zuständig. Und generell zu Tierversuchen will sie sich nicht äußern. Entsprechend sauer ist Tierschützerin Simone Runde. „Viele Tierschützer haben die Grünen gewählt“, sagt sie. „Frau Sager hat vor der Wahl viel versprochen und nach der Wahl alles vergessen. Die wollte mit Wahlparolen die Stimmen der Tierschützer kriegen.“

In 18 deutschen Städten werden jährlich Versuche mit etwa 1500 Affen durchgeführt. Der Nutzen der Tierversuche ist nach Ansicht von Experten sehr gering, denn die Ergebnisse können kaum auf den Menschen übertragen werden (siehe Interview). Nach Informationen der Tierschützer wartet derzeit auch in Schleswig-Holstein ein privates Versuchslabor auf eine Genehmigung. Chef ist der berüchtigte Dr. Leuschner, der auch ein Versuchslabor in Neuwiedenthal betreibt. 100 Affen sollen für die neue Wirkungsstätte bereitstehen. Morgen veranstalten Tierrechts-Organisationen einen Protestzug zu einem seiner vier Labore.

Treff: S-Bahn Neuwiedenthal, 12 Uhr