Boomtown LE

■ Ein Reiseführer zu Leipzig: ein Band der nicht an der Vergangenheit klebt, sondern informativ aktuelle und politische Themen behandelt

Städte, die in den vergangenen Jahren ihr architektonisches Erbe so prachtvoll saniert haben wie Leipzig, sind für bildungsbürgerlich Interessierte faszinierend. Früher ging man aus Karrieregründen hierher. J.W. Goethe etwa, der in der traditionsreichen Buch- und Messestadt studierte und Auerbachs Keller in den „Faust“ einbaute. Heute lockt eher die Nostalgie.

Mit Büchern wie dem DuMont- Reisebuch „Leipzig“ haben es Besucher leicht. Rundgänge, Tips, Stadtporträts und essayistische Exkurse weisen ihnen die Wege. Erfreulicherweise klebt dieser Band nicht an der Vergangenheit, sondern legt Wert auf Aktualität. Trockene Stadtgeschichte nimmt eine geringere Bedeutung ein als die politische Entwicklung nach 1945 und die „Selbstbefreiung“ aus DDR-Zeiten. Wen es genauer interessiert: Der Verlauf der „friedlichen Revolution“ ist in einem Exkurs dokumentiert.

Das moderne Leipzig wird (in Anlehnung an das amerikanische Vorbild) als „Boomtown LE“ charakterisiert. Damit ist wirtschaftlicher Aufschwung gemeint, der sich in repräsentativen Großprojekten ausdrückt. Etwa in der architektonischen Neugestaltung des riesigen Bahnhofs zu einem innerstädtischen Erlebnis- und Konsumtempel oder auch in der ästhetisch gelungenen Sanierung der Messehöfe und verglasten Passagen.

Folgt man dem Autor, dann boomt vor allem die Kulturszene: Sechs Kabaretts hat er allein in der Innenstadt ausfindig gemacht. Zu Bach-Konzerten, Buchmesse und Kneipenkultur gibt er jede Menge Tips. Seine Einschätzung: eine „eigentümliche Spannung zwischen traditionsreicher Kulturpflege und maßvoll experimenteller Avantgarde.“

Vielleicht liegt es am Konzept der DuMont-Reihe, daß Leipzigs Kultur in diesem Band die wichtigste Rolle spielt. Vielleicht aber auch an der offenkundigen Zuneigung des Autors für die kulturellen Aktivitäten der Bürger. Die scheinen ein glückliches Händchen zu haben – ob sie nun eine Revolution anzettelten, die friedlich und erfolgreich war, oder ob sie Rückschläge wegstecken wie die Pleite des Baulöwen Jürgen Schneider. Der hatte sich zwanzig der architektonischen Edelobjekte gesichert. Klar, daß man sie trotzdem saniert hat. Jetzt, so verrät uns das Buch, bieten „ironische Charaktere“ Stadtführungen auf den Spuren Schneiders an. Leipzig-Besuchern gibt dieser Reiseführer einen sympathischen und sehr informativen Einstieg. Christel Burghoff

Tobias Gohlis: „Leipzig“. DuMont Reise-Taschenbuch, Köln 1998